Tag : Leichtathletik

Diamond League Monaco  2025

Geduld zahlt sich aus

Köln, 15. Juli

Liebe Leserinnen und Leser,
als Mohamed Abdilaahi beim Diamond-League-Meeting in Monte- Carlo nach 12:53,63 Minuten die Ziellinie überquert, ist eine kleine deutsche Sensation perfekt. Der Athlet von Cologne Athletics hat gerade den nationalen Rekord über 5.000 Meter geknackt – eine Bestmarke, die zuvor seit dem Jahr 1997 zusammen mit dem Namen Dieter Baumann in der deutschen Bestenliste verankert war. Baumann – eine DLV-Ikone. Rund um die Neunzigerjahre auch international tonangebend und nicht zuletzt 1992 Olympiasieger. Über exakt jene 5.000 Meter. Dass der heute 60-Jährige zeitnah von „seinem“ Thron gestoßen werden würde – darauf hatte nicht wirklich etwas hingedeutet. Das derzeitige Niveau hierzulande ist – so schien es – schlicht nicht ausreichend. Der beste derzeit aktive deutsche Langstreckler über die Distanz fand sich in Person von Abdilaahi wieder.

Doch auch dessen persönliche Bestzeit lag noch vor wenigen Tagen knapp neun Sekunden oberhalb der Marke von Dieter Baumann (12:54,70 min). „Es kamen mir ganz kurz die Tränen, ganz ehrlich. Aber ich konnte sie zurückhalten“, untermauert der gebürtige Mönchengladbacher im Interview mit der ARD den Stellenwert seines Auftritts im Fürstentum. Denn es ist in erster Linie natürlich ein Triumph für den 26-Jährigen selbst: ein Athlet, der früh in seiner Karriere ein großes Talent offenbart. Eines, das bei Abdilaahi zwar auch in den Folgejahren unbestritten ist, das er aber nur dann und wann zeigen kann. Auch Fehleinschätzungen begleiten seinen Weg in den vergangenen Jahren. So setzt er 2024 beispielsweise darauf, sich über ausreichend viele Weltranglistenpunkte für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Ein Unterfangen, das schiefgeht. Die Norm für die diesjährigen Weltmeisterschaften hat er hingegen nun in der Tasche. Selbstreflektierend merkt er bei Sport1 an, man dürfe nicht aufgeben, „sondern man sollte seine eigene Entwicklung einfach genießen und geduldig abwarten. Irgendwann zahlen sich die vielen Kilometer aus.“ Das gilt in dieser Saison für gleich mehrere DLV-Athleten. Denn nach Hindernisläufer Frederik Ruppert und Mittelstreckler Robert Farken ist er schon der dritte deutsche Läufer, der 2025 eine Langzeit-Bestmarke knackt. Geduld zahlt sich aus. „Es geht voran in der deutschen Leichtathletik, vor allem im Laufbereich“, meint Abdilaahi. Er und seine beiden Lauf-Kompagnons liefern Argumente dafür.

Alexander Dierke

Team EM Madrid 2025

Kleine Ausrufezeichen

Köln, 1. Juli

Liebe Leserinnen und Leser,
am Ende war die Aufgabe keine ganz so schwere mehr. Manuel Sanders, Jana Lakner, Joshua Abuaku und Irina Gorr mussten den Staffelstab über die 4×400 Meter im Prinzip nur noch ins Ziel bringen. Wobei: Dieses Unterfangen ist in der Vergangenheit in verschiedensten Zusammensetzungen – sei es im Mixed oder in gleichgeschlechtlichen Quartetten – bereits oft genug schiefgelaufen. In Madrid aber gelingt die Aufgabe und die Mixed- Staffel sichert der deutschen Delegation damit endgültig eine Bronzemedaille bei den Team- Europameisterschaften. Wieder einmal. Schon bei den Mannschaftstitelkämpfen in Chorzow hatte die Auswahl des Deutschen Leichtathletik-Verbands in der Endabrechnung Rang drei belegt. Ein Platz auf dem Podium – ordentlich! Gegen europäische Konkurrenz kann man mithalten, doch die Wahrheit liegt quer über den Globus verteilt. Nur wenn die Weltbesten am Start sind, lässt sich auch ein vollumfängliches Urteil fällen. 2023 folgte in Budapest das Desaster eines Salto Nullo, bei den Olympischen Spielen im Vorjahr war zumindest wieder ein kleiner Aufwärtstrend zu erkennen – auch wenn einiges an Mittelklasse durch einige wenige herausstechende Spitzenleistungen aufpoliert wurde. In Madrid sind es abermals einzelne Athletinnen und Athleten, die besonders herausstechen. Allen voran Dreispringerin Caroline Joyeux, Speerwerfer Julian Weber und Hindernisläufer Karl Bebendorf setzen kleine Ausrufezeichen. Doch auch darüber hinaus gibt es einige ansehnliche Leistungen zu bestaunen. Es setzt sich auch ein Trend fort: Denn vor allem unter den weiblichen Springerinnen und den männlichen Werfern sind in diesem Sommer Protagonistinnen und Protagonisten, die im Vergleich mit der Weltelite unter den Besten mitmischen. Das macht Hoffnung, wie auch einzelne Ausrufezeichen im Laufbereich. Doch längst nicht in allen Disziplinen sind die Aussichten rosig. Wo die deutsche Leichtathletik zweieinhalb Monate vor dem WM steht, beantworten wir im Top-Thema dieser Leichtathletik– Ausgabe – mit dieser übernimmt die Geuer Medien GmbH (Uetersen) das Magazin im übrigen als Verlag und Herausgeber.

Alexander Dierke

ISTAF 2024; Berlin, 01.09.2024 Ausgelassene Freude bei Speerwurf-Sieger Julian WEBER (GER); ISTAF Berlin am 01.09.2024 i

Reifeprozess

Köln, 17. Juni

Liebe Leserinnen und Leser,
was war das vor wenigen Wochen in der katarischen Hauptstadt für ein besonderer Moment. Speerwerfer Julian Weber wusste dort erstmals in seiner Laufbahn die 90-Meter-Marke zu überwinden. Ein Quantensprung. Denn der 30-Jährige gehört nun zu den Besten, die seine Disziplin jemals zu bieten hatte – und ist überhaupt erst der siebte Deutsche, dem es gelingt, in diesen magischen Weitenbereich vorzudringen. Schon alleine diese Tatsache ist einiges an Anerkennung wert. Doch im Falle des Athleten des USC Mainz ist die Sache komplexer. Denn dass er enormes Potenzial besitzt, ist nicht erst seit Mitte Mai bekannt. Schon seit Jahren gehört Weber zu den stärksten Speerwerfern dieses Globus, wurde etwa 2022 Europameister. National ist er inzwischen die unangefochtene Nummer eins. Doch wenn es zu großen Titelkämpfen ging, bei denen die Weltelite geladen war, ging Weber bis dato stets leer aus. Sprich ohne Medaille. Und das, obwohl er eigentlich in den geforderten Weitenbereichen abliefern kann. Doch es ist bei ihm – so schien und scheint es – auch immer eine Kopfsache gewesen, wie auch die Geschichte mit den 90 Metern. Früh in seiner Laufbahn in die Nähe dieser Weite gekommen, kommt er jahrelang nur nah an diese heran – aber die Neun will einfach nicht an erster Stelle stehen. Das prägt einen Sportler. Und Julian Weber hat, das kommt im für diese Ausgabe mit ihm geführten Leichtathletik-Interview rüber, einen abermaligen Reifeprozess durchlaufen. Er macht keine großen Ankündigungen mehr, die ihn selbst unterbewusst unter Druck setzen könnten. Medaillenprognosen für die diesjährige WM? Fehlanzeige! Vielmehr besinnt sich Weber auf seine Stärke und offenbart, wie viel sein Neunziger in ihm gelöst hat. Was rüber kommt: Ein seit jeher äußerst sympathischer Sportler kann fortan befreiter auftreten. Die Zukunft kann also kommen.

Für die Leichtathletik liegt die Zukunft bei der Geuer Medien GmbH (Uetersen), die das Magazin ab der kommenden Ausgabe als Verlag und Herausgeber übernehmen wird. Damit endet eine lange erfolgreiche Zeit bei der Marken Verlag GmbH in Köln.

Alexander Dierke

42. Bietigheimer Silvesterlauf

Fragwürdiger Fall

Köln, 3. Juni

Liebe Leserinnen und Leser,
die ersten Nominierungen für die WM im September wurden durch den Deutschen Leichtathletik-Verband in den vergangenen Tagen vollzogen und verkündet. Wie in der Vergangenheit üblich, endet der Qualifikationszeitraum für die Marathonis vorzeitig – entsprechend erfolgt hier auch die Vergabe der bis zu drei WM-Tickets verfrüht. Der nationale Verband aber will nun nur zwei Athleten nach Tokio schicken, Amanal Petros und Richard Ringer. Ein Mangel an weiteren konkurrenzfähigen Marathonläufern? Mitnichten. Vielmehr lässt der DLV bewusst einen der drei Plätze frei – obwohl Hendrik Pfeiffer als drittbester Deutscher (Samuel Fitwi und Sebastian Hendel verzichten) auch hätte zu den globalen Titelkämpfen reisen dürfen. Zumindest vonseiten des Weltverbandes World Athletics aus. Denn im Ranking-System hätte er eine entsprechende Position inne. Einzig die Leistungsbestätigungsnorm des DLV hat der 32-Jährige nicht erfüllt, doch genau hier beklagt Pfeiffer einen wesentlichen Punkt. Denn die Norm von 2:07,50 Stunden sollten die Athleten zwischen September 2024 und Mai 2025 erbringen, allerdings wurde dies durch den DLV erst im vergangenen Dezember rückwirkend festgelegt. „Leider habe ich die Rechnung ohne den DLV gemacht. Die Hürde, sich international für die WM zu qualifizieren – wie es mir locker gelungen ist –, scheint wesentlich leichter zu sein, als seinen eigenen Verband auf seiner Seite zu haben“, lautet seine Kritik. „Um als weiterer Athlet zum Kreis der Normerfüller dazuzustoßen, boten sich bei den Frühjahrsmarathons zahlreiche Gelegenheiten“, heißt es vonseiten des DLV. Das weitere Problem: Pfeiffer unterzog sich im März einer Fußoperation, um bei der WM im September voll einsatzfähig zu sein. Diese Entscheidung habe er sowohl mit der Bundeswehr als auch dem Bundestrainer abgestimmt, zudem hätte es vonseiten Dr. Jörg Bügners, Vorstand Leistungssport, geheißen, „dass die Weltmeisterschaft das einzige Event in diesem Jahr ist, was für den DLV eine Relevanz hat“. Die Erbringung der Leistungsbestätigungsnorm stand für Pfeiffer so nicht länger auf dem Programm. Kehrseite ist, dass der Athlet Anfang Mai bei dem Charity-Lauf „Wings for Life World Run“ teilgenommen hat – der Verband wirft ihm das vor. Doch der Sportsoldat betont die Unterschiede zwischen der Teilnahme an einem Charity-Lauf und der Nacheiferung einer Norm. Man sollte beim DLV über die Kritik nachdenken, denn vernünftige Gründe für die Nicht-Nominierung Pfeiffers gibt es nicht.

Alexander Dierke

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Künftiger Weltstar?

Köln, 6. Mai

Liebe Leserinnen und Leser,
es ist durchaus heiß an diesem Augusttag in Berlin. Die Temperaturen liegen bei hochsommerlichen 30 Grad – auch am Abend ist es noch hitzig. Das liegt zum einen daran, dass es nicht wirklich abkühlt, zum anderen liegt es an dem, was an diesem Tag in der deutschen Hauptstadt geboten wird. Wir schreiben das Jahr 2009, und im Olympiasta- dion steht im Rahmen der Leichtathletik-Weltmeisterschaften das 100-Meter-Finale der Männer auf dem Programm. Die Größten ihrer Zeit messen sich auf der Bahn und fighten um den Titel – mit dabei etwa der US-Amerikaner Tyson Gay. Und natürlich Usain Bolt. Der jamaikanische Sprinter überstrahlt damals alle. An diesem 16. August 2009 setzt er die Grenzen in der Königsdisziplin der Leichtathletik neu. Denn ab dem 30. Meter wird es die erhoffte Bolt-Show mit einem Ausgang, der noch einmal alle Erwartungen toppt: Nach 9,58 Sekunden stürmt der Ausnahmeläufer über die Ziellinie. Weltrekord. Bis heute ist niemand mehr ansatzweise in diese Region vorgedrungen. Tyson Gay noch im selben Jahr und Yohan Blake sind mit Zeiten von 9,69 Sekunden diejenigen, die am nächsten herangekommen sind. Aber eben nur am nächsten.

„Er sieht aus wie mein junges Ich“, schreibt der schnellste Mann der Welt im Dezember vergangenen Jahres auf Instagram. Gemeint ist mit diesen Worten ein Athlet, der Bolt über seine zweite Fabeldistanz, die 200 Meter – Bolts Weltrekord liegt hier bei 19,19 Sekunden –, kürzlich besiegt hat. Zumindest, wenn man die einstigen Zeiten des 16-jährigen Bolt zum Vergleich herbeizieht. Gout Gout heißt der junge Mann, über den in den vergangenen Wochen und Monaten immer häufiger gesprochen wird. Ein Australier, der inzwischen 17 Jahre jung ist und schon im Winter über 200 Meter brilliert. Kürzlich läuft er dann zweifach in 9,99 Sekunden über die 100 und in 19,84 Sekunden über die 200 Meter. Das weckt Hoffnungen, große Hoffnungen sogar. Doch kann dieses „Wunderkind“ tatsächlich eines Tages für solche Sportmomente sorgen, wie sie Bolt geliefert hat – mit sporthistorischen Momenten wie dem eingangs beschriebenen in Berlin? Der Frage gehen wir in unserem Top-Thema in der aktuellen Leichtathletik-Ausgabe nach.

Alexander Dierke

Athletissima; Lausanne, 22.08.2024 MAHUCHIKH Yaroslava (UKR) at Athletissima; Lausanne, 22.08.2024 *** Athletissima Laus

Besonderer Start

Köln, 22. April

Liebe Leserinnen und Leser,
nach der weitestgehend wettkampffreien Zeit ist endlich wieder der Moment gekommen, ab dem im Meeting-Kalender so einiges los ist. In den vergangenen Tagen standen etwa mit den Straßenlauf-Europameisterschaften und den Deutschen Meisterschaften im Straßengehen schon erste Titelentscheidungen auf dem Programm. Kurz vor Druckschluss dieser Leichtathletik-Ausgabe galt es am Ostermontag dann wieder, seine Blicke über den Großen Teich nach Boston schweifen zu lassen. Denn dort ging der traditionelle Marathon über die Bühne – der übrigens erstmals im Jahr 1897 ausgetragen wurde. Geschichten wurden seitdem schon so einige geschrieben, doch ein siegreiches Bruderpaar gibt es erst, seit John Korir bei der diesjährigen 129. Ausgabe der Veranstaltung als erster die Ziellinie in der Hauptstadt von Massachusetts überquerte.

Es sind doch irgendwie genau diese Augenblicke, die den Sport und die Leichtathletik auszeichnen und auf die man sich Saison für Saison freuen darf. Die bevorstehende Wettkampfperiode wird bekanntlich wieder eine besondere sein, finden die Weltmeisterschaften schließlich erst im September statt. Ein besonderes (besonders langes) Jahr wartet auf die Athletinnen und Athleten wie auch die Fans – denn in besagtem Meeting-Kalender lassen sich durch die späte WM-Austragung so manche Veränderungen ausmachen. Auch in Hinblick auf die Diamond League. Die Elite-Serie des Weltverbands World Athletics startet am 26. April im chinesischen Xiamen in die Saison 2025 und wird in diesem Jahr zu einer Art Warm-up-Wettkampf-reihe für die World Championships. Hier lässt es sich gegen die Besten des Globus duellieren und proben – doch das bedeutende Edelmetall wird anderswo vergeben. Zudem hat der Veranstalter auch noch mit neuen Konkurrenzangeboten zu kämpfen. Kurzum lässt sich festhalten: Auch in ihrer nunmehr 16. Saison ist die Diamond League in gewisser Weise noch auf der Suche nach ihrem Standing.

Alexander Dierke

06.04.25, Generali Berliner Halbmarathon 2025, SCC Events

Ein langer Sommer

Köln, 8. April

Liebe Leserinnen und Leser,
endlich ist es so weit: Die Freiluftsaison 2025 steht in den Startlöchern. Mit den Deutschen Meisterschaften im Marathon und dem Halbmarathon in Berlin sind auch hierzulande zuletzt schon zwei große Läufe über die Bühne gegangen. Und was für welche! Besonders den Wettkampf in der Hauptstadt wird man so schnell nicht vergessen, lieferte er aus nationaler Sicht doch Historisches: Amanal Petros blieb als erster Deutscher über die 21,0975 Kilometer unterhalb der Stunden-Marke. Ein Meilenstein, mit dem der 29-Jährige vor allem in Europa stark vertreten ist. Auf die anstehende Premiere der Straßenlauf-Europameisterschaften verzichtet Petros folglich übrigens – er hat seine Prioritäten anders gesetzt. Der DLV-Athlet ist bei weitem nicht der einzige, der diese Entscheidung so für sich getroffen hat. Ohnehin darf infrage gestellt werden, ob der Schritt einer Ausgliederung der Titelvergaben im Halbmarathon, Marathon und über die 10 Kilometer von den klassischen Europameisterschaften sinnvoll ist.

Bei den diesjährigen Weltmeisterschaften werden die Disziplinen hingegen weiterhin vertreten sein, das globale Championat steht vielmehr deshalb besonders im Fokus, weil die Titelentscheidungen erst im September anstehen. Natürlich sind diese das Ziel eines jeden Athleten – dementsprechend gilt es, sich auf eine durchaus lange Saison einzustellen. Jeder Sportler wird seinen eigenen Weg finden müssen, um im Spätsommer seinem Leistungsmaximum möglichst nahezukommen. Ohnehin versprechen die diesjährigen Freiluft-Meetings und speziell die WM reichlich Spannung. Denn es sind nicht nur die etablierten Stars um den schwedischen Stabhochspringer Armand Duplantis, die es im Auge zu behalten gilt. Vielmehr haben in der zurückliegenden Hallensaison auch einige Newcomer wie beispielsweise der deutsche Mehrkämpfer Till Steinforth und die US-Stabhochspringerin Amanda Moll mit starken Leistungen dafür gesorgt, dass sie fortan unter besonderer Beobachtung stehen

Alexander Dierke

World Athletics Indoor Championships Nanjing, 22.03.2025

Neuer Hoffnungsträger

Köln, 25. März

Liebe Leserinnen und Leser,
erinnern Sie sich noch an den Morgen des 9. Junis 2023? Die Nachrichtenwelt war gefüllt mit der Berichterstattung über den deutschen Rekord eines jungen Zehnkämpfers – weit über die Grenzen des Leichtathletik-Kosmos hinaus! Leo Neugebauer hieß der gute Mann, um den sich alles drehte. Seine von ihm inzwischen längst übertroffenen 8.836 Punkte sorgten für großes Staunen: Schließlich knackte der damals 22-Jährige damit den 39 Jahre alten deutschen Zehnkampfrekord von Jürgen Hingsen. Im folgenden Sommer kämpfte Neugebauer bei der WM um die Medaillen mit, im Vorjahr pulverisierte er auch den deutschen Siebenkampf-Rekord in der Halle, packte auf seine nationale Outdoor-Bestmarke noch einmal 125 Zähler drauf und gewann schließlich olympisches Silber. Doch einen Teil dieser Lorbeeren musste Neugebauer Anfang März wieder abgeben – weil in Apeldoorn plötzlich ein 22-Jähriger im DLV-Team emporstieg, der durchaus an „Leo the German“ erinnert: Till Steinforth. Starten tut der Athlet auf nationaler Ebene für den SV Halle, doch im Prinzip lässt sich seine Leistungsentwicklung ebenfalls mit der Ausbildung in den USA begründen. Steinforth studiert seit 2021 an einer Universität im US-Bundesstaat Nebraska – noch in diesem Jahr wird er dort seinen Bachelor im Fach Architektur machen. Doch vor allem haben ihm die dortigen Gegebenheiten nun sportlich zwei Bronzemedaillen bei internationalen Meisterschaften eingebracht: In Apeldoorn sorgten 6.388 Punkte für die angesprochene „Hallen-Wachablösung“ Neugebauers. Und bei den Hallen-Weltmeisterschaften im chinesischen Nanjing sorgte Steinforth nun für so etwas wie den einzigen echten Lichtblick eines äußerst dezimierten DLV-Teams. Überraschend? Für viele – den Deutschen Leichtathletik-Verband auch?! – möglicherweise, nicht jedoch für den Mehrkämpfer selbst. Er wusste schon länger, welches Potenzial in ihm schlummert und hat seine Saisonziele nun im Prinzip bereits übertroffen: Die Erzielung eines deutschen Rekords und den Gewinn internationalen Edelmetalls. Ist es „bloß“ die reine sportliche Ausbildung in den USA oder auch der Glaube an sich selbst, der so stark macht? In jedem Fall zeigt nach Leo Neugebauer nun der nächste deutsche US-Mehrkämpfer, dass er in Zukunft großes vor hat.

Alexander Dierke

European Athletics Indoor Championships 2025; Apeldoorn, 07.03.2025

Zahlenspiele

Köln, 11. März

Liebe Leserinnen und Leser,
viermal Edelmetall, Rang 16 im Medaillenspiegel. Beim Blick auf die nackten Zahlen ist das Abschneiden der deutschen Athletinnen und Athleten bei den Hallen-Europameisterschaften wieder einmal ernüchternd. Ein EM-Titel ist im niederländischen Apeldoorn nicht herausgesprungen, nicht einmal für Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye oder Weitspringerin Malaika Mihambo – und das offenbart die momentane Ausgangslage in der deutschen Leichtathletik. Ja, der DLV besitzt inzwischen wieder vereinzelte Sportlerinnen und Sportler von Weltklasse-Format – um ehrlich zu sein vor allem die beiden genannten Athletinnen. Aber: Wenn die Besten nicht performen, sieht es für das Kollektiv oftmals düster aus. Zwei Silber- und zwei Bronzemedaillen sind natürlich noch ein Ertrag, aber es zeigt selbst bei kontinentalen Titelkämpfen unter dem Hallendach einen rückläufigen Trend auf: 2021 gewann das DLV-Team noch sechs, 2023 immerhin noch fünf Medaillen. Jetzt ließe sich argumentieren, dass längst nicht alle deutschen Leichtathleten in der Arena anwesend waren, die auch im Sommer „zur Verfügung“ stehen. Dennoch war Deutschland vielköpfig vertreten – und: Es war „nur“ ein Vergleich gegen die europäische Konkurrenz. Noch dazu indoor. Dass man diesen Herausforderungen nicht so wirklich standgehalten hat, verheißt nichts Gutes. Etwa die männlichen Stabhochspringer hatten sich durch das Fernbleiben von Armand Duplantis echte Medaillenchancen ausgerechnet. Auch die Hochspringerinnen hatten auf mehr gehofft, als es dann wurde. Eigentlich ist es das gleiche Bild wie immer: Deutsche Athleten sind oft nah dran an den besten fünf, sechs dieses Kontinents oder gar des Globus, doch die Hürde dahin kann nicht überwunden werden. Apropos Hürden: Marlene Meier hat bei ihrem ersten großen Finale als Sechste überzeugt – wenngleich auch sie nicht an ihr Optimum herankam. Auch Dreispringer Max Heß sendete mit Silber positive Signale. Gleichermaßen Mehrkämpfer Till Steinforth, der „überraschend“ den deutschen Hallenrekord von Leo Neugebauer knackte und sich mit Bronze dafür belohnte. Und natürlich haben auch Mihambo und Ogunleye Medaillen gewonnen. Aber neunfaches Edelmetall wie von der Gastgebernation liest sich einfach anders. Zumal Oranje die Heim-Party mit sieben Goldmedaillen versüßte.

Alexander Dierke

World Athletics Indoor Championships Glasgow 2024 - Day One Christina Honsel from Germany is competing in the high jump

Momente für die Ewigkeit

Köln, 17. Dezember

Liebe Leserinnen und Leser,
jetzt ist es endgültig Zeit für einen Rückblick: Das Jahr 2024 ist in wenigen Tagen vorüber und damit ein Jahr, auf das im Vorfeld lange hingefiebert wurde. Olympische Spiele stehen schließlich nur in jeder vierten Saison auf dem Programm. Und in puncto deutsche Leichtathletik waren die Wettkämpfe, oder besser gesagt die Leistungen der DLV-Athleten in der französischen Hauptstadt Paris ja ohnehin unter besonderer Beobachtung. Nach schwachen letzten Jahren; und in Hinblick auf die angestrebte Rückkehr Deutschlands unter die Top Fünf der Welt bis 2028. Sie wissen, wie der Jenga-Turm deutsche Leichtathletik aktuell zusammengesetzt ist …

Eine Therapie ist da schon länger notwendig, doch was bringt diese für die nationale Leichtathletik nach dieser Saison 2024 als Zwischenfazit hervor? Vielleicht einfach so viel: Es ist kompliziert – aber die erste Trendumkehr (eines dieser Wörter der jüngeren Leichtathletik-Vergangenheit) ist gelungen. Auf Verbandsebene wurden einige Änderungen vollzogen, auf Seite der Athleten haben Medaillen bei den Europameisterschaften sowie in Paris für besondere Momente gesorgt. Dass es für die DLV-Delegation im Stade de France vierfach Edelmetall gab, ist etwa im Vergleich zu Tokio 2021 eine Verbesserung. Und zum Jahresende ist es irgendwann auch mal genug mit der Nörgelei … Denn was von den vergangenen Monaten bleibt, sind auch zahlreiche unvergessliche Momente. Das sensationelle Kugelstoß-Gold von Yemisi Ogunleye etwa. Oder das starke Comeback von Hindernis-Spezialistin Gesa Krause. Und natürlich die Weltrekord-Show des schwedischen Stabhochsprung-Ausnahmekönners Armand Duplantis. Die außergewöhnlichsten Sportlerleistungen und Momente lassen wir nicht nur in unserem Jahresrückblick noch einmal aufleben, sondern die besten nationalen Athleten stehen auch als „Leichtathleten des Jahres“ zur Wahl.

Abschließend bleibt mir nun noch, mich für Ihre uns 2024 gegenübergebrachte Treue zu bedanken. Im Namen der Redaktion wünsche ich Ihnen besinnliche Weihnachtsfeiertage und einen guten Rutsch in das Jahr 2025.

 

Alexander Dierke