Tag : Marathon

42. Bietigheimer Silvesterlauf

Fragwürdiger Fall

Köln, 3. Juni

Liebe Leserinnen und Leser,
die ersten Nominierungen für die WM im September wurden durch den Deutschen Leichtathletik-Verband in den vergangenen Tagen vollzogen und verkündet. Wie in der Vergangenheit üblich, endet der Qualifikationszeitraum für die Marathonis vorzeitig – entsprechend erfolgt hier auch die Vergabe der bis zu drei WM-Tickets verfrüht. Der nationale Verband aber will nun nur zwei Athleten nach Tokio schicken, Amanal Petros und Richard Ringer. Ein Mangel an weiteren konkurrenzfähigen Marathonläufern? Mitnichten. Vielmehr lässt der DLV bewusst einen der drei Plätze frei – obwohl Hendrik Pfeiffer als drittbester Deutscher (Samuel Fitwi und Sebastian Hendel verzichten) auch hätte zu den globalen Titelkämpfen reisen dürfen. Zumindest vonseiten des Weltverbandes World Athletics aus. Denn im Ranking-System hätte er eine entsprechende Position inne. Einzig die Leistungsbestätigungsnorm des DLV hat der 32-Jährige nicht erfüllt, doch genau hier beklagt Pfeiffer einen wesentlichen Punkt. Denn die Norm von 2:07,50 Stunden sollten die Athleten zwischen September 2024 und Mai 2025 erbringen, allerdings wurde dies durch den DLV erst im vergangenen Dezember rückwirkend festgelegt. „Leider habe ich die Rechnung ohne den DLV gemacht. Die Hürde, sich international für die WM zu qualifizieren – wie es mir locker gelungen ist –, scheint wesentlich leichter zu sein, als seinen eigenen Verband auf seiner Seite zu haben“, lautet seine Kritik. „Um als weiterer Athlet zum Kreis der Normerfüller dazuzustoßen, boten sich bei den Frühjahrsmarathons zahlreiche Gelegenheiten“, heißt es vonseiten des DLV. Das weitere Problem: Pfeiffer unterzog sich im März einer Fußoperation, um bei der WM im September voll einsatzfähig zu sein. Diese Entscheidung habe er sowohl mit der Bundeswehr als auch dem Bundestrainer abgestimmt, zudem hätte es vonseiten Dr. Jörg Bügners, Vorstand Leistungssport, geheißen, „dass die Weltmeisterschaft das einzige Event in diesem Jahr ist, was für den DLV eine Relevanz hat“. Die Erbringung der Leistungsbestätigungsnorm stand für Pfeiffer so nicht länger auf dem Programm. Kehrseite ist, dass der Athlet Anfang Mai bei dem Charity-Lauf „Wings for Life World Run“ teilgenommen hat – der Verband wirft ihm das vor. Doch der Sportsoldat betont die Unterschiede zwischen der Teilnahme an einem Charity-Lauf und der Nacheiferung einer Norm. Man sollte beim DLV über die Kritik nachdenken, denn vernünftige Gründe für die Nicht-Nominierung Pfeiffers gibt es nicht.

Alexander Dierke

Athletissima; Lausanne, 22.08.2024 MAHUCHIKH Yaroslava (UKR) at Athletissima; Lausanne, 22.08.2024 *** Athletissima Laus

Besonderer Start

Köln, 22. April

Liebe Leserinnen und Leser,
nach der weitestgehend wettkampffreien Zeit ist endlich wieder der Moment gekommen, ab dem im Meeting-Kalender so einiges los ist. In den vergangenen Tagen standen etwa mit den Straßenlauf-Europameisterschaften und den Deutschen Meisterschaften im Straßengehen schon erste Titelentscheidungen auf dem Programm. Kurz vor Druckschluss dieser Leichtathletik-Ausgabe galt es am Ostermontag dann wieder, seine Blicke über den Großen Teich nach Boston schweifen zu lassen. Denn dort ging der traditionelle Marathon über die Bühne – der übrigens erstmals im Jahr 1897 ausgetragen wurde. Geschichten wurden seitdem schon so einige geschrieben, doch ein siegreiches Bruderpaar gibt es erst, seit John Korir bei der diesjährigen 129. Ausgabe der Veranstaltung als erster die Ziellinie in der Hauptstadt von Massachusetts überquerte.

Es sind doch irgendwie genau diese Augenblicke, die den Sport und die Leichtathletik auszeichnen und auf die man sich Saison für Saison freuen darf. Die bevorstehende Wettkampfperiode wird bekanntlich wieder eine besondere sein, finden die Weltmeisterschaften schließlich erst im September statt. Ein besonderes (besonders langes) Jahr wartet auf die Athletinnen und Athleten wie auch die Fans – denn in besagtem Meeting-Kalender lassen sich durch die späte WM-Austragung so manche Veränderungen ausmachen. Auch in Hinblick auf die Diamond League. Die Elite-Serie des Weltverbands World Athletics startet am 26. April im chinesischen Xiamen in die Saison 2025 und wird in diesem Jahr zu einer Art Warm-up-Wettkampf-reihe für die World Championships. Hier lässt es sich gegen die Besten des Globus duellieren und proben – doch das bedeutende Edelmetall wird anderswo vergeben. Zudem hat der Veranstalter auch noch mit neuen Konkurrenzangeboten zu kämpfen. Kurzum lässt sich festhalten: Auch in ihrer nunmehr 16. Saison ist die Diamond League in gewisser Weise noch auf der Suche nach ihrem Standing.

Alexander Dierke

06.04.25, Generali Berliner Halbmarathon 2025, SCC Events

Ein langer Sommer

Köln, 8. April

Liebe Leserinnen und Leser,
endlich ist es so weit: Die Freiluftsaison 2025 steht in den Startlöchern. Mit den Deutschen Meisterschaften im Marathon und dem Halbmarathon in Berlin sind auch hierzulande zuletzt schon zwei große Läufe über die Bühne gegangen. Und was für welche! Besonders den Wettkampf in der Hauptstadt wird man so schnell nicht vergessen, lieferte er aus nationaler Sicht doch Historisches: Amanal Petros blieb als erster Deutscher über die 21,0975 Kilometer unterhalb der Stunden-Marke. Ein Meilenstein, mit dem der 29-Jährige vor allem in Europa stark vertreten ist. Auf die anstehende Premiere der Straßenlauf-Europameisterschaften verzichtet Petros folglich übrigens – er hat seine Prioritäten anders gesetzt. Der DLV-Athlet ist bei weitem nicht der einzige, der diese Entscheidung so für sich getroffen hat. Ohnehin darf infrage gestellt werden, ob der Schritt einer Ausgliederung der Titelvergaben im Halbmarathon, Marathon und über die 10 Kilometer von den klassischen Europameisterschaften sinnvoll ist.

Bei den diesjährigen Weltmeisterschaften werden die Disziplinen hingegen weiterhin vertreten sein, das globale Championat steht vielmehr deshalb besonders im Fokus, weil die Titelentscheidungen erst im September anstehen. Natürlich sind diese das Ziel eines jeden Athleten – dementsprechend gilt es, sich auf eine durchaus lange Saison einzustellen. Jeder Sportler wird seinen eigenen Weg finden müssen, um im Spätsommer seinem Leistungsmaximum möglichst nahezukommen. Ohnehin versprechen die diesjährigen Freiluft-Meetings und speziell die WM reichlich Spannung. Denn es sind nicht nur die etablierten Stars um den schwedischen Stabhochspringer Armand Duplantis, die es im Auge zu behalten gilt. Vielmehr haben in der zurückliegenden Hallensaison auch einige Newcomer wie beispielsweise der deutsche Mehrkämpfer Till Steinforth und die US-Stabhochspringerin Amanda Moll mit starken Leistungen dafür gesorgt, dass sie fortan unter besonderer Beobachtung stehen

Alexander Dierke

Running: Chicago Marathon Oct 13, 2024; Chicago, IL, USA; Ruth Chepngetich of Kenya finishes first in the women’s race,

Sportliche Mondlandung

Köln, 22. Oktober

Liebe Leserinnen und Leser,
als Chicago – die Metropole des Mittleren Westens – Mitte Oktober in das Zentrum der Aufmerksamkeit rückt, hat das ausnahmsweise mal nichts mit dem US-Wahlkampf zu tun. Für einen kurzen Moment sind weder ein TV-Interview der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris mit dem Haussender (Fox) ihres Kontrahenten Donald Trump noch eine wenige Tage später stattfindende Wahlkampf-Farce eben jenes Republikaners in einer Fast- Food-Kette Gesprächsstoff Nummer eins. Die Schlagzeilen schlagen dennoch hohe Wellen, die Dimensionen, in denen sich bewegt wird, reichen sogar hin bis zu einer Mondlandung. Einer sportlichen wohlgemerkt: Als die Kenianerin Ruth Chepngetich beim Chicago Marathon die rotgefärbte Ziellinie überquert, ist die Sport-Welt eine andere. 2:09:56 Stunden leuchten über ihr auf dem Zielbogen auf. Eine Fabelzeit, von der man noch am Morgen dachte, dass diese niemals würde möglich sein. Schlicht zu exzellent ist dieses Resultat, das vergleichbar ist mit einer Männer-Zeit von unter zwei Stunden. Der Tod der Leichtathletik? So zumindest reagiert der irische Mittelstreckler Stephen Kerr auf die Leistungsexplosion der 30-Jährigen. Um fast viereinhalb Minuten hat Chepngetich ihre vorherige Bestzeit verbessert, im Vergleich zum erst 2023 durch die Äthiopierin Tigist Assefa aufgestellten Weltrekord stoppen die Uhren in der Stadt am Lake Michigan beinahe zwei Minuten früher. „Es ist fast so, als würde man jemanden auf dem Mond landen sehen“, beschreibt die ehemalige US-Mittelstrecklerin Carrie Tollefson das Ausmaß einer real gewordenen Utopie. Kann nicht mehr mithalten, wer sauber ist? Chepngetich hat sich bislang nichts zuschulden kommen lassen. Aber Zweifel kommen durchaus auf, nicht zuletzt wird die Athletin durch Federico Rosa betreut – zwei ehemalige Sprösslinge von ihm wurden in der Vergangenheit des Dopings überführt. Hinzu kommt das allgemeine Doping-Problem in Kenia. Zumal der dortigen Nationalen Anti-Doping-Agentur die finanziellen Mittel unlängst drastisch gekürzt wurden. Aber: Eine Sportart entwickelt sich auch weiter – Training und Ausstattung (Stichwort Carbon-Schuhe) sind heute ein anderes als noch vor 20 Jahren. Genau hinschauen lohnt sich definitiv – das gilt für den US-Wahlkampf wie auch sportliche Fabelleistungen an der Grenze des Möglichen.

 

Alexander Dierke

(240929) -- BERLIN, Sept. 29, 2024 -- Participants start during the Berlin Marathon 2024 in Berlin, capital of Germany,

Geteiltes Interesse

Köln, 8. Oktober

Liebe Leserinnen und Leser, während die meisten Leichtathleten aktuell im Urlaub weilen oder aber bereits die Vorbereitung für die kommende Saison wieder aufgenommen haben, ist für die Marathoni derzeit Prime-Time. Hierzulande haben Köln und Berlin zuletzt den Anfang gemacht, ehe uns nun ein goldener Oktober mit den Rennen in Chicago, Amsterdam und Frankfurt bevorsteht. Vor allem der Chicago Marathon darf wieder mit großer Spannung erwartet werden ob großer Namen, die an den Start gehen werden. Doch spektakulär wurde es auch bereits zuletzt in der Hauptstadt. Denn nicht nur feierte der Berlin-Marathon sein 50. Jubiläum, sondern zelebrierte das auch in einem angemessen Rahmen: Mit über 50.000 Finishern überquerten mehr Menschen die Ziellinie als jemals zuvor.

Die Leichtathletik wird also auch im Breitensport geliebt. Vor allem Halb- und Marathons finden seit jeher große Begeisterung. Bei denjenigen, die zuschauen, und bei denjenigen, die mitmachen. Eine gute Sache, schließlich bewegt sich die Nation, und es entsteht ein Gefühl von Gemeinschaft. Doch es ist ein Unterschied, ob manch einer (oder auch manch einer mehr) gerne mal einen Marathon läuft oder aber dies professionell betreibt. Denn das Interesse am Leistungssport ist gering – das trifft vor allem auf Talente zu, die als Jugendliche vor die Entscheidung gestellt werden, welchen Karriereweg sie zukünftig einschlagen wollen. Spitzensport und speziell die Leichtathletik stehen da nicht hoch im Kurs. Und dieses Bild zeichnet sich – im Widerspruch zum Interesse an bestehenden Veranstaltungen – doch auch in der Gesellschaft ab: Aktuell wird wieder über eine mögliche deutsche Olympia-Bewerbung diskutiert. Also über einen Schritt, der in der Vergangenheit bereits mehrfach scheiterte – weil die Bevölkerung in der Gesamtheit gegen eine Bewerbung war. Das dürfte dieses Mal nicht anders sein, wurzeln die Probleme im deutschen Sport schließlich tief. Daran ändern leider auch über 50.000 Finisher beim Berlin-Marathon nichts.

Alexander Dierke

Chicago Marathon

Rekord und Rückkehr

Köln, 10. Oktober

Liebe Leserinnen und Leser,
was war das für ein packender Marathon in Chicago. Nachdem vor zwei Wochen bei den Frauen Tigst Assefa ein neuer Weltrekord gelang, tat es ihr Kelvin Kiptum in der US-Metropole nun gleich. Der Kenianer ist der erste Mensch, der die Marke von 2:01 Stunden unterbieten konnte – und sorgt mit seiner Bestmarke für reichlich Gesprächsstoff. Zum einen ob seiner Fabelzeit, aber zum anderen auch, weil eben solche Resultate die Frage aufkommen lassen, inwiefern ein Sportler solche Ergebnisse tatsächlich (ohne Hilfsmittel) erzielen kann.
Unverändert ist das Ziel des deutschen Mittel- und Langstrecken-Asses Konstanze Klosterhalfen, endlich wieder mit voller Fitness auf die Laufbahn zurück zu kehren. Seit Anfang des Jahres plagt „Koko“ eine Fußverletzung, welche sie den Großteil der zurückliegenden Saison zum Zuschauen verdammte. Im Rahmen eines Events ihres Ausrüsters konnte ich mit ihr beim Köln Marathon über ihren langwierigen Weg zurück sprechen und dabei vor allem eines feststellen: Die positive Ausstrahlung hat Klosterhalfen nicht verloren, auch wenn sie ihrer großen Leidenschaft im Moment nicht nachgehen kann. Nichts überstürzen mit einem möglichen Comeback lautet ihre Devise. Und das ist auch gut so, schließlich stehen auch für sie mit der EM und den Olympischen Spiele im kommenden Jahr zwei große Highlights an. Und wo, wenn nicht dort, würden wir alle sie am liebsten wieder jubeln sehen.

Alexander Dierke

 

Sport Bilder des Tages Running: Boston Marathon Apr 17, 2023; Boston, MA, USA; Evans Chebet of Kenya (left) and Hellen O

Starke Geschichten

Köln, 18. April

Liebe Leserinnen und Leser,
das hat richtig Spaß gemacht zuzuschauen. Kurz vor Redaktionsschluss der neuen Ausgabe von Leichtathletik fand am Montagnachmittag der prestigeträchtige Marathon in Boston statt. Aus deutscher Sicht galt der Blick bei dem US-Lauf besonders einem Mann: Hendrik Pfeiffer. Denn der Deutsche erfüllte sich mit seinem Start in Massachusetts einen großen Traum und reihte sich mit seiner vorherigen Bestzeit auf Startplatz 27 des Teilnehmerfeldes ein. Entsprechend ambitioniert gab
sich der Hannoveraner im Vorfeld und wollte darüber hinaus vor allem eines: die „verrückte Strecke“ und die „verrückten Menschenmassen“ genießen. Umso bemerkenswerter, dass Pfeiffer am Ende beides gelang: Als 16. im Endklassement belohnte er sich für den Aufwand der letzten Monate. Dass der Favorit Eliud Kipchoge sich hingegen deutlich geschlagen geben musste, war durchaus eine Überraschung. Doch mit Evans Chebet und Hellen Obiri brachte der Kultlauf auch in diesem Jahr zwei würdige Sieger hervor. Nun bewegt sich die Marathon-Saison so langsam auf die Sommerpause hin, während die Freiluftsaison in den anderen Disziplinen in den Startlöchern steht.
Um Meistertitel ging es für die deutschen Geher. Neben Bianca Maria Dittrich und Christopher Linke jubelten in Erfurt Saskia Feige und Karl Junghannß – und die letztgenannten buchten damit bereits eindrucksvoll ihr WM-Ticket. Apropos eindrucksvoll: Das trifft auch auf die lange Laufbahn des Meeting-Machers Rudi Thiel zu. Anlässlich seines 95. Geburtstags würdigen wir den „Architekten“ des ISTAF.
Kommen Sie gut durch die Woche!

Alexander Dierke