Tag : Sprint

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Künftiger Weltstar?

Köln, 6. Mai

Liebe Leserinnen und Leser,
es ist durchaus heiß an diesem Augusttag in Berlin. Die Temperaturen liegen bei hochsommerlichen 30 Grad – auch am Abend ist es noch hitzig. Das liegt zum einen daran, dass es nicht wirklich abkühlt, zum anderen liegt es an dem, was an diesem Tag in der deutschen Hauptstadt geboten wird. Wir schreiben das Jahr 2009, und im Olympiasta- dion steht im Rahmen der Leichtathletik-Weltmeisterschaften das 100-Meter-Finale der Männer auf dem Programm. Die Größten ihrer Zeit messen sich auf der Bahn und fighten um den Titel – mit dabei etwa der US-Amerikaner Tyson Gay. Und natürlich Usain Bolt. Der jamaikanische Sprinter überstrahlt damals alle. An diesem 16. August 2009 setzt er die Grenzen in der Königsdisziplin der Leichtathletik neu. Denn ab dem 30. Meter wird es die erhoffte Bolt-Show mit einem Ausgang, der noch einmal alle Erwartungen toppt: Nach 9,58 Sekunden stürmt der Ausnahmeläufer über die Ziellinie. Weltrekord. Bis heute ist niemand mehr ansatzweise in diese Region vorgedrungen. Tyson Gay noch im selben Jahr und Yohan Blake sind mit Zeiten von 9,69 Sekunden diejenigen, die am nächsten herangekommen sind. Aber eben nur am nächsten.

„Er sieht aus wie mein junges Ich“, schreibt der schnellste Mann der Welt im Dezember vergangenen Jahres auf Instagram. Gemeint ist mit diesen Worten ein Athlet, der Bolt über seine zweite Fabeldistanz, die 200 Meter – Bolts Weltrekord liegt hier bei 19,19 Sekunden –, kürzlich besiegt hat. Zumindest, wenn man die einstigen Zeiten des 16-jährigen Bolt zum Vergleich herbeizieht. Gout Gout heißt der junge Mann, über den in den vergangenen Wochen und Monaten immer häufiger gesprochen wird. Ein Australier, der inzwischen 17 Jahre jung ist und schon im Winter über 200 Meter brilliert. Kürzlich läuft er dann zweifach in 9,99 Sekunden über die 100 und in 19,84 Sekunden über die 200 Meter. Das weckt Hoffnungen, große Hoffnungen sogar. Doch kann dieses „Wunderkind“ tatsächlich eines Tages für solche Sportmomente sorgen, wie sie Bolt geliefert hat – mit sporthistorischen Momenten wie dem eingangs beschriebenen in Berlin? Der Frage gehen wir in unserem Top-Thema in der aktuellen Leichtathletik-Ausgabe nach.

Alexander Dierke

Owen Ansah (Hamburger SV, 532), 100m Maenner, GER, Leichtathletik, Athletics, Deutsche Meisterschaften, 29.06.2024, GER,

Deutsche Sportgeschichte

Köln, 2. Juli

Liebe Leserinnen und Leser,
Armin Hary war es, der 1960 als erster deutscher Athlet handgestoppte 10,0 Sekunden lief. Seitdem ist vieles passiert. Generationen von 100-Meter-Sprintern haben der Deutsche Leichtathletik-Verband und die Fans erlebt, doch so nah wie Hary kam der Durchbrechung der magischen Zehn-Sekunde-Marke seitdem niemand mehr. Und dann das: Der Hamburger Owen Ansah läuft bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig tatsächlich als erster DLV-Sprinter eine Neuner-Zeit. 9,99 Sekunden – ein Sprint in die deutschen Sportgeschichtsbücher. Und wie merkt der glückliche Athlet selbst richtig an: Der Rekord wird ihm eines Tages ein anderer womöglich entreißen, doch der Vorstoß in neue Sphären wird für immer mit seinem Namen verbunden bleiben. Nach langer Verletzungspause ist der Triumph gar noch einmal bemerkenswerter, doch vielleicht war es genau diese „Auszeit“, die ihm gutgetan hat. Der 23-Jährige vernimmt bei sich selbst jedenfalls einen Entwicklungsschub. Deutschland hat mit Ansah, Joshua Hartmann – der bei der DM mit Einstellung seiner PB von 10,06 Sekunden ebenfalls ein starkes Rennen ablieferte – und Gina Lückenkemper gestandene Sprinter. Im Vergleich zu anderen Disziplinen lässt sich hier bei den Besten tatsächlich über die Jahre ein Leistungssprung ausmachen. Und dennoch bedarf es einer gesunden Bewertung des Ganzen. Denn im Weltvergleich können auch diese 9,99 Sekunden keine Medaillen bescheren. Das weiß Ansah auch selbst, und diese gesunde Selbsteinschätzung steht ihm definitiv gut zu Gesicht. Die deutsche Leichtathletik hat mit ihm jedenfalls einen Gewinn, und ja, man darf sich auf sein Auftreten bei Olympia freuen. Dass Owen Ansahs Rekord in den Medien große Aufmerksamkeit fand, zeigt zudem: Gute Leistungen deutscher Athleten sind sehr wohl noch immer über die Grenzen der Sportart hinweg gerne gesehen.

 

Alexander Dierke

 

Gina LUECKENKEMPER (Lückenkemper)(SCC Berlin) 100m Vorlauf der Frauen, am 08.07.2023 Deutsche Leichtathletik Meisterscha

Als Athletin gewachsen

Köln, 30. April

Liebe Leserinnen und Leser,
es macht stets aufs Neue Spaß, sich mit meinungsstarken deutschen Athleten zu unterhalten. Und speziell die Gespräche mit Gina Lückenkemper sind da immer ein Highlight. Schließlich ist die Sprinterin nicht nur auf der Sprintbahn stark unterwegs, sondern besitzt auch zu fast allem eine Meinung. Sympathisch sind die Interviews mit der amtierenden 100-Meter- Europameisterin ohnehin. Dieses Mal gab es durchaus viel zu besprechen, verfolgt Lückenkemper im anstehenden Sommer große Ziele: Bei der EM soll im Juni bestenfalls die Titelverteidigung gelingen und knapp zwei Monate später bei den Olympischen Spielen endlich der Traum einer Final-Teilnahme in Erfüllung gehen. Darauf ist bei ihr alles ausgerichtet. In diesem Jahr hat sie die Hallen-Saison gänzlich ausgelassen und sich stattdessen intensiv in Florida unter ihrem Coach Lance Brauman auf die kommenden Aufgaben vorbereitet. Es ist ein Schritt, welchen beide im Anschluss an ihr Halbfinal-Aus bei der Vorjahres-WM beschlossen haben. Die Wettkampfbelastung sei in der Vergangenheit zu hoch gewesen, sagt sie selbst – und vermittelt insgesamt den Eindruck, als Athletin noch einmal gewachsen zu sein. Neben starken Trainingseindrücken gibt ihr auch ihr Freiluft-Auftakt recht: Nie zuvor starte Lückenkemper schneller in eine Saison als unlängst bei einem Meeting in Florida. Ohnehin weiß die 27-Jährige ihren Status und ihre Möglichkeiten in den Staaten zu schätzen. Weil solche Ausbildungsbedingungen für die deutschen Athleten noch immer eine Ausnahme sind. Die nationalen Gegebenheiten können beispielsweise mit denen in den USA nicht mithalten – allein weil es dort einen durchaus großen Wissensvorsprung gibt, wie Lückenkemper anfügt. Im Falle der Top-Sprinterin könnte der DLV davon profitieren. Und vor allem sie selbst – in Rom und dann in Paris.

 

Alexander Dierke

 

230820 Noah Lyles of USA celebrates after winning men™s 100 meter final during day 2 of the 2023 World Athletics Champio

Überraschungen erwünscht

Köln, 22. August

Liebe Leserinnen und Leser,
die WM ist in vollem Gange und lieferte an den ersten drei Wettkampftagen bereits so manche hochkarätige Entscheidungen. Pünktlich vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe stand am Montagabend noch das heiß erwartete 100-Meter-Finale der Frauen an. Bereits zuvor waren die Augen aus deutscher Sicht im Halbfinale auf Gina Lückenkemper gerichtet, groß war ihr Traum vom ersten WM-Finale. Ein Unterfangen, welches mit einer Zeit von 11,18 Sekunden nicht aufgehen sollte. Durchaus schade, besaß die Berlinerin ob ihrer bislang starken Saison im Vorfeld die Chance dazu. Im Finale sorgte dann wiederum die US-Amerikanerin Sha’Carri Richardson mit einer fulminanten Leistung (10,65 s) für einen überraschenden Sieg. Es war bereits die fünfte Goldmedaille für die USA bei der noch jungen WM, beeindruckend waren zuvor etwa auch die Leistungen von Sprinter Noah Lyles und Kugelstoßer Ryan Crouser. Es ist abermals ein starkes Bild, welches das Standing der Vereinigten Staaten in der Weltelite untermauert, die bereits in Eugene das medaillenstärkste Team gestellt hatten.
Die deutsche Equipe steht hingegen bislang noch ohne Edelmetall da. Sicher, das war irgendwo zu erwarten, und doch hofft man auf die ein oder andere Überraschung. Lichtblicke lieferten vor allem aber Geher Christopher Linke und Siebenkämpferin Sophie Weißenberg. Ganz unabhängig davon gilt das übrigens gauch für die Stimmung vor Ort: Ausverkaufte Ränge in Budapest sorgen für ein würdiges Bild.
Das DLV-Team muss indes nun liefern, sonst droht tatsächlich die zweite enttäuschende WM in Folge. Aber wer weiß, vielleicht haben – wenn Sie die neue Leichtathletik-Ausgabe in den Händen halten – die Diskuswerferinnen und Hochspringer Tobias Potye ja für erstes deutsches Edelmetall gesorgt. Ich würde es mir wünschen.

Alexander Dierke