Author : redaktion

IAAF Diamond League - Doha 2019

Verheerendes Urteil

Köln, 9. Mai 2019

Es ist fast genau ein Jahr her, in Ausgabe 18/2018, da hieß es an dieser Stelle: „‚Falscher‘ gibt es nicht“. Damals hatte der Weltverband die sogenannte Testosteron- Regel eingeführt, gegen die die südafrikanische Läuferin Caster Semenya im Anschluss Einspruch eingelegt hatte. Und im Editorial stand geschrieben, dass jede Lösung des Problems unzureichend ist – eine bestimmte Lösung aber undenkbar sein sollte. Die nämlich, hyperandrogene Athletinnen dazu zu zwingen, sich einer hormonellen Behandlung zu unterziehen – wenn sie denn weiter, wie im Falle Semenyas, über ihre bisherige Strecke an den Start gehen wollen. Genau dazu ist es jetzt aber gekommen. Die Reaktionen sind vielfältig, auffällig ist aber, dass sich viele Sportler bedeckt halten. Man kann sich jedoch vorstellen, dass es nur wenige direkte Konkurrentinnen von Semenya geben wird, die über die Entscheidung unglücklich sind. Und man kann das auch nachvollziehen. Ebenso, wie man die Kritik von Balian Buschbaum und anderen verstehen kann, die die Situation Semenyas mit der anderer Athleten vergleichen, die aufgrund körperlicher Vorteile ihren Sport dominierten (Seite 3). Den Kern des Problems treffen aber beide Standpunkte nicht. Der ist nämlich, dass Sportlerinnen wie Semenya nun dazu gezwungen werden (wenn sie denn die Ausweichmöglichkeiten nicht wahrnehmen wollen), negatives Doping zu betreiben. Das war vor einem Jahr der Hauptgrund, die IAAF-Entscheidung zu kritisieren, und ist es auch heute noch in Bezug auf das CAS-Urteil, meint

Daniel Becker

2018 Athletics Diamond League Muller Grand Prix Aug 18th

Breit gefächert

Köln, 02. Mai 2019

Jedes Jahr stellen sich zum Saisonstart dieselben Fragen. Eine davon ist immer: Welche Athleten können im kommenden Sommer einen großen Satz nach vorne machen? Aus deutscher Sicht kommen Jahr für Jahr viele Sportler dafür infrage, ein neues sportliches Level zu erreichen und sich in der absoluten Spitze zu etablieren – sei es auf nationaler oder auf internationaler Ebene. In unserer Titelgeschichte haben wir die zehn aus unserer Sicht aussichtsreichsten Kandidaten unter die Lupe genommen, ihre jüngsten Entwicklungen berücksichtigt, mit Trainern gesprochen und daraufhin die Prognose gewagt, dass diese Zehn unsere „Athletes to watch“ sind. Die Voraussetzungen sind dabei längst nicht bei allen Sportlern gleich. Athleten wie Speerwerfer Julian Weber oder Hürdensprinter Gregor Traber gehören schon seit Längerem zur (erweiterten) Weltspitze und hoffen nun darauf, den entscheidenden Schritt weiter gehen zu können und – wie Weber – aus einem deutschen Weltklasse-Trio ein Weltklasse-Quartett zu machen oder – wie Traber – endlich in ein ganz großes Finale zu laufen. Andere, wie die Sprinterin Lisa-Marie Kwayie, stehen noch am Anfang ihrer Karriere und wollen die Etablierten auf nationaler Ebene das Fürchten lehren.

Es ist die Unterschiedlichkeit, die das Beobachten der Entwicklung einzelner Sportler so spannend macht. Sie zeigt auch, wie breit gefächert unsere Sport- art ist. Und dass es sich immer lohnt, genau hinzuschauen, meint

Daniel Becker

61st Mt. SAC Relays

Historischer Auftakt

Köln, 24. April 2019

Es ist nichts dazu bekannt, dass Deutschlands Top-Kugelstoßer David Storl und der südafrikanische 400-Meter-Weltrekordler Wayde van Niekerk besonders viele Berührungspunkte miteinander hätten. Am vergangenen Wochenende werden beide aber womöglich zur selben Zeit einmal tief durchgeatmet haben – als sie erfuhren, dass sich US-amerikanischen Bundesstaat Kalifornien innerhalb einer Stunde an zwei unterschiedlichen Orten Historisches abgespielt hat. 400-Meter- Läufer Michael Norman und Kugelstoßer Ryan Crouser zeigten beide den jeweils besten Saisoneinstieg in der Geschichte ihrer Disziplin und schickten damit zwei dicke Ausrufezeichen in Richtung ihrer Konkurrenten auf der ganzen Welt – zu denen eben auch Wayde van Niekerk und David Storl gehören.

Das Jahr 2018 war in Ermangelung eines Großereignisses für viele Athleten aus Übersee ein Übergangsjahr. Mit den Leistungen von Michael Norman und Ryan Crouser deutet sich nun an, dass es 2019 wieder deutlich ernster zur Sache gehen wird. Ihre Leistungen riefen sie rund eine Woche vor dem Start in die Diamond- League-Saison ab. Die wiederum – das können Sie in unserer Titelstory lesen – sucht auch im zehnten Jahr ihres Bestehens weiter nach der gewünschten Akzeptanz in der Sportwelt. Am 3. Mai geht es in Doha los. Leistungen wie die von Norman und Crouser könnten dabei helfen, die so sehr gewünschte weltweite Aufmerksamkeit zu erlangen, meint

Daniel Becker

European Indoor Athletics Championships - Day 3

Gewinn – für alle?

Köln, 17. April 2019

Mitte letzter Woche hat eine Schweizer Firma, die im Auftrag des Europäischen Leichtathletik-Verbandes EAA tätig war, eine ökonomische Studie veröffentlicht, die sich mit den Folgen der im vergangenen August in Berlin ausgetragenen Leichtathletik-Europameisterschaften beschäftigt hat. Kurz zusammengefasst: Die Austragung hat sich aus wirtschaftlicher Sicht auf der ganzen Linie gelohnt. Es gab mehr Jobs, mehr Touristen, mehr Steuereinnahmen. Oder anders ausgedrückt: mehr Geld. Das ist – ohne Frage – eine sehr erfreuliche Nachricht und ein klares Zeichen dafür, dass die Austragung von sportlichen Großereignissen nicht mit einer kompletten Neustrukturierung der örtlichen Infrastruktur oder dem Neubau zahlreicher Sportstätten zusammenhängen muss. Olympia in Rio oder die Fußball-Weltmeisterschaften in Südafrika und Brasilien lassen grüßen.

Die Studie fällt zeitlich zusammen mit der Aufforderung vieler Athleten, an den Umsätzen der Verbände, die auch diese rund um Großveranstaltungen machen, beteiligt zu werden. In Sachen Ausrichtung von Großereignissen ist Deutschland – das wissen wir nicht erst seit der EAA- Studie – schon Vorreiter. Warum aber ist Deutschland nicht längst auch Vorbild darin, diejenigen an den wirtschaftlichen Erfolgen zu beteiligen, die maßgeblich dazu beitragen – die Athleten? Dieser Schritt muss in Zukunft unternommen werden, sonst steigt bei den Sportlern auch bei eigentlich positiven Nachrichten am Ende das Frustlevel, meint

Daniel Becker

ATHLETICS-MARATHON-BERLIN

Für das Image

Köln, 10. April 2019

Seit dem vergangenen Wochenende sind die Topläufer auf den Straßen der Welt unterwegs und jagen bei den Frühjahrsmarathons (und Halbmarathons) ihre Bestzeiten. Einige von ihnen sind aber nicht nur Jäger, sie sind auch Gejagte. Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass das Dopingproblem im Marathon nicht unbedingt kleiner geworden ist. Geht es nach den Organisatoren der sechs größten Marathons, die sich als World-Marathon-Majors-Serie (WMM) zusammengeschlossen haben (Tokio, Boston, London, Berlin, Chicago und New York) und dem Weltverband IAAF, soll sich das nun ändern.

Die WWM wollen in Zusammenarbeit mit dem Weltverband den Kampf gegen Doping intensivieren. Bei der AIU, der unabhängigen Integritätskommission der IAAF, wird ein zusätzlicher Ermittler eingestellt, der die Testmöglichkeiten verbessern soll. Der Hintergrund: Die Rennen der WWM-Serie bieten das meiste Preisgeld weltweit – und damit nach Ansicht der Organisatoren auch den größten Anreiz zu betrügen. Das Geld für die Finanzierung bringen die privaten Veranstalter selber auf.

Der Kampf für einen sauberen Sport spielt bei der Entscheidung sicher eine Rolle. Klar ist den Organisatoren aber sicher auch, dass Doping nicht nur dem Image der Sportart, sondern auch dem Image der Veranstaltungen selbst schadet. So oder so: Die Marathon-Entscheider haben ein wichtiges Signal gesetzt, meint

Daniel Becker

2018 IAAF World Indoor Championships Day 2 Mar 2nd

Zahltag

Köln, 3. April 2019

Es war eigentlich nur eine kleine Randnotiz in der Nachrichtenwelt der Leichtathletik, dennoch dürften einige Topathleten beim Lesen mit den Ohren geschlackert haben. In der vergangenen Woche hat der österreichische Leichtathletik-Verband ÖLV bekannt gegeben, wie er seine Athleten im Falle des Medaillengewinns bei den anstehenden Weltmeisterschaften in Doha und den Olympischen Spielen in Tokio entlohnen will – nämlich ziemlich üppig. Das bot die Möglichkeit für interessante Vergleiche. Zum Beispiel: Wird ein Österreicher oder eine Österreicherin bei der WM in Doha Dritter oder Dritte wird, darf er oder sie sich über 25.000 Euro freuen – und bekommt damit 5.000 Euro mehr als deutsche Olympiasieger (!) bei den letztjährigen Olympischen Winterspielen. Sollte es einem Österreicher oder einer Österreicherin gar gelingen, 2020 in Tokio Olympiagold zu gewinnen, winkt ihm oder ihr eine Prämie von 205.000 Euro. Ein Schelm, wer bei diesen Zahlen daran denkt, die Nationalität zu wechseln.

Natürlich kommt der Ansporn nicht von ungefähr: Seit Stephanie Graf 2000 in Sydney Silber über 800 Meter gewonnen hat, warten die Österreicher auf olympisches Edelmetall. Da sind die Voraussetzungen in der deutschen Leichtathletik schon etwas anders. Den Satz von Gregor Högler, Sportdirektor des ÖLV, dürfte aber durchaus auch für den Spitzensport in Deutschland gelten: „Wir müssen den Athleten etwas bieten.“ Das meint auch

Daniel Becker

24th European Athletics Championships - Day Six

Kontext mitliefern

Köln, 27. März 2019

Dürfen am Wettkampftag Dopingkon­ trollen durchgeführt werden? Diese Frage hat Wolfgang Heinig, Heimtrainer von Deutschlands Top­-Hindernisläuferin Gesa Krause, in einer Chatgruppe gestellt. Der Verlauf wurde öffentlich und sorgte in der Szene auf Aufsehen (mehr auf Seite 3). Heinig erklärte auf dpa-­Anfrage, er sei der Bitte seiner Athletin Krause nachgekom­men. Die sagte, sie habe sich vergewissern wollen, ob ihr „Erholungsschlaf durch eine mögliche Dopingkontrolle verkürzt wer­ den könnte“. Man müsste Heinig schon so einiges unterstellen, um anzunehmen, dass er in einer solchen Chatgruppe Infor­mationen für eine wie auch immer gear­tete Vertuschungsaktion erlangen wollte. Was man ihm aber vorwerfen muss, ist, das Thema Dopingkontrollen ziemlich naiv be­ handelt zu haben. Eine solche Frage wirft zu Recht Rückfragen auf. Doping ist glück­licherweise zum sensiblen Thema gewor­ den (und das nicht erst seit dem Fall um den Erfurter Dopingarzt, der nach neues­tem Stand auch die Leichtathletik betrifft). Kommt also eine Frage nach Dopingkon­trollen auf, gibt es irgendwo immer jeman­ den, bei dem die Alarmglocken läuten. Das ist gut so und man fragt sich durchaus, wo Wolfgang Heinig sich in den letzten Monaten und Jahren aufgehalten hat, um da nicht etwas dazugelernt zu haben. Nicht vergessen darf man aber auch, dass Fragen rund ums Thema Dopingkon­trollen eben manchmal gestellt werden müssen. Der Tagesablauf von Athleten ist extrem durchgetaktet, jede Info kann hilfreich sein. Bewusst wird einem in die­sem Fall aber, dass der Kontext und eine klare Erklärung am besten direkt mitge­liefert werden. Das könnte in dem einen oder anderen Fall Missverständnissen vorbeugen, meint

Daniel Becker

20KM Race Walking Championships

Wertschätzung?

Köln, 20. März 2019

Etwas mehr als eine Woche ist es her, dass sich das IAAF Council in Doha zusammen­ gesetzt und weitere Änderungen beschlos­sen hat, die den Prozess beschleunigen sollen, die Leichtathletik wieder relevanter zu machen. Eine Entscheidung, die dort getroffen wurde, wiegt besonders schwer. Diese hat der Weltverband in seiner Mit­teilung allerdings ziemlich gut versteckt und als nur als einen von mehreren Unter­ punkten aufgeführt: Ab 2022 sollen die Strecken der Geher nicht mehr 20 und 50 Kilometer lang sein, sondern es sollen zwei neue Streckenlängen gewählt werden. Zur Auswahl: 10, 20, 30 und 35 Kilometer.

Als Grund nennt der Weltverband, dass die Disziplin fernsehtauglicher und für neue Athleten interessanter werden soll. Viele Geher waren im Vorfeld gegen die geplante Entscheidung Sturm gelaufen, am Ende konnten sie den Beschluss jedoch nicht verhindern. Ihre Argumentation: Ausdauer ist unser Faustpfand, die 50­km­ Strecke ein Alleinstellungsmerkmal der Disziplin. Beide Argumentationen sind nachvollziehbar. Fakt ist, dass die Zahlen von Athleten, die über 50 Kilometer antre­ten, alarmierend gering sind. Im vergan­genen Jahr erbrachten gerade einmal 205 Männer und 92 Frauen eine Leistung, die Eingang in die Weltbestenliste fand. Fakt ist aber auch, dass der Weltverband eine solche Entscheidung viel offener kommu­nizieren muss. Eine so einschneidende Änderung ist dem Weltverband nicht mal eine eigene Pressemitteilung wert. Das ist es, worüber sich die Geher wirklich Sorgen machen können, meint

Daniel Becker

IAAF Installation of Air Quality Monitor In Sydney

Härtetest

Köln, 6. März 2019

Die neue Weltrangliste ist da. In der vergangenen Woche wurde sie vom Weltverband IAAF vorgestellt und nach neuerlicher Überarbeitung nun endgültig eingeführt (lesen Sie mehr dazu auf Seite 3). In diesem Jahr bekommen Athleten und Zuschauer noch die Chance, sich an das neue System zu gewöhnen, bevor es dann für die Olympischen Spiele 2020 zur Basis der Qualifikation wird. Es ist wieder eine Neuerung, die maßgeblich von IAAF-Präsident Sebastian Coe vorangetrieben wurde. Und sie könnte der Leichtathletik guttun – wenn das (ziemlich komplizierte) System der Punktevergabe funktioniert und sich herausstellt, dass es für alle Athleten fair ist. Die Leichtathletik ist eine Sportart der Zahlen, und wenn mit der Weltrangliste tatsächlich ein System entwickelt wurde, das Zahlen aus der unüberschaubaren Masse an größeren und kleineren Meetings weltweit sammelt, analysiert und in eine Liste überträgt, die die Stärke aller Athleten weltweit widerspiegelt, dann kann die Weltrangliste eine Erfolgsgeschichte werden. Die Vergangenheit hat aber auch gezeigt, dass neue Systeme, trotz aller theoretischen Überlegungen im Vorfeld, erst einmal den Härtetest der Realität bestehen müssen. Und dass sie langfristig nur dann Erfolg haben, wenn man den Mut hat, bei Bedarf noch ein- mal Änderungen vorzunehmen. Denn nur dann kann eine solche Liste auch als Basis der Qualifikation für das größte Sportereignis der Welt dienen, meint

Daniel Becker

24th European Athletics Championships - Day Four

Härtetest

Köln, 28. Februar 2019

Das Leichtathletik-Jahr 2019 steht vor seinem ersten Höhepunkt. Zwar fehlen viele der deutschen Top-Athleten bei den am Wochenende stattfindenden Hallen- Europameisterschaften, doch für alle, die dabei sind, können die Tage im schottischen Glasgow zur wichtigen Standortbestimmung werden. Das haben einige Beispiele aus der Vergangenheit gezeigt. Hochspringer Mateusz Przybylko etwa hat sich im vergangenen Jahr in der Halle den selbst auferlegten Druck genommen, spätestens bei der Heim-EM in Berlin seine erste internationale Medaille gewinnen zu müssen – er holte diese schon im März bei der Hallen-WM in Birmingham (Bronze) und konnte so völlig befreit und mit großem Selbstvertrauen in die Freiluftsaison starten. Das vorläufige Happy End mit dem Gewinn von Gold im Berliner Olympiastadion ist bekannt. Oder Kristin Gierisch: Deren Gewinn der Silbermedaille bei der Hallen-WM 2016 in Portland war der Startschuss für den Weg der Chemnitzerin in die Dreisprung-Weltklasse. Beide Athleten sind auch am Wochenende dabei. Und so ist die Hallen-EM in erster Linie als erster Härtetest, als mögliche Motivationsspritze für einen erfolgreichen Verlauf der kommenden Wochen und Monate zu betrachten. Denn mit der WM in Katar und natürlich vor allem mit Olympia 2020 stehen die ganz großen Höhepunkte noch bevor. Auf dem Weg dorthin könnte eine erfolgreiche Hallen- EM für so manchen wahrlich Gold wert sein, meint

Daniel Becker