Köln, 11. Februar
Liebe Leserinnen und Leser,
ein 34 Zentimeter langes Brett, dahinter eine sechs Zentimeter lange Anlaufbahn: Es sind diese 40 Zentimeter, über die in den vergangenen Tagen (erneut) lebhaft diskutiert wurde. Denn kurz vor dem ISTAF Indoor in Düsseldorf verkündeten die Veranstalter so etwas wie eine Sensation – die erstmalige Austragung eines Weitsprung-Wettkampfs mit Take-off-Zone. Entsprechende Gedanken sind beim Weltverband World Athletics schon vor längerer Zeit aufgekommen, bei den Weltmeisterschaften 2023 in Budapest seinen laut WA-Präsident Sebastian Coe rund ein Drittel aller Versuche im Frauen-Weitsprung ungültig gewesen. Die Schlussfolgerung: Dies sei langweilig für die Zuschauer. Aber ist das wirklich so? Schließlich ist der Punkt Anlauf und Brett treffen doch das schwierigste Element des Weitsprungs – und geht es nicht darum, die kompletteste Weitspringerin oder den komplettesten Weitspringer zu ermitteln? Zeichnet nicht exakt das Weltklasse aus? Und vor allem sorgt doch genau das auch für Spannung! Sicherlich, die Leichtathletik muss attraktiver werden, nicht nur für neue Zielgruppen. Doch muss man deshalb die Regeln der einzelnen Disziplinen grundsätzlich verändern? Man stelle sich vor, man würde im Basketball den Korb vergrößern, nur weil es nicht genug Treffer gibt. Eine unsinnige Idee, nicht zuletzt für US-Leichtathletik-Ikone Carl Lewis, der diesen Gedanken aufgebracht hat. Anders sieht es Deutschlands Beste. Malaika Mihambo machte nach dem Test in Düsseldorf sportlich „nur positive Aspekte“ aus. Und natürlich hat sie Recht damit, dass mit einer solchen Regeländerung die tatsächlichen Weiten ermittelt würden. Aber: An ihre starken 7,07 Meter aus Karlsruhe ist die 31-Jährige beim ISTAF nicht ansatzweise herangekommen – ihr bester Versuch wurde bei einer Weite von 6,87 Metern markiert. Und genau hier kommt das nächste Problem auf: Denn es wird zwar die tatsächliche Weite ermittelt, für die Zuschauer ist jedoch im ersten Moment in Düsseldorf nicht ersichtlich gewesen, wie viel ein Sprung wirklich wert war. Zudem war da die verzögerte Übermittlung der Weiten. Aber es waren eben von insgesamt 42 Versuchen auch nur fünf ungültig – die entsprechende Quote sank verglichen mit Budapest auf zwölf Prozent. Doch ist das tatsächlich so wichtig?
Alexander Dierke