Category : Allgemein

ISTAF 2024; Berlin, 01.09.2024 Ausgelassene Freude bei Speerwurf-Sieger Julian WEBER (GER); ISTAF Berlin am 01.09.2024 i

Reifeprozess

Köln, 17. Juni

Liebe Leserinnen und Leser,
was war das vor wenigen Wochen in der katarischen Hauptstadt für ein besonderer Moment. Speerwerfer Julian Weber wusste dort erstmals in seiner Laufbahn die 90-Meter-Marke zu überwinden. Ein Quantensprung. Denn der 30-Jährige gehört nun zu den Besten, die seine Disziplin jemals zu bieten hatte – und ist überhaupt erst der siebte Deutsche, dem es gelingt, in diesen magischen Weitenbereich vorzudringen. Schon alleine diese Tatsache ist einiges an Anerkennung wert. Doch im Falle des Athleten des USC Mainz ist die Sache komplexer. Denn dass er enormes Potenzial besitzt, ist nicht erst seit Mitte Mai bekannt. Schon seit Jahren gehört Weber zu den stärksten Speerwerfern dieses Globus, wurde etwa 2022 Europameister. National ist er inzwischen die unangefochtene Nummer eins. Doch wenn es zu großen Titelkämpfen ging, bei denen die Weltelite geladen war, ging Weber bis dato stets leer aus. Sprich ohne Medaille. Und das, obwohl er eigentlich in den geforderten Weitenbereichen abliefern kann. Doch es ist bei ihm – so schien und scheint es – auch immer eine Kopfsache gewesen, wie auch die Geschichte mit den 90 Metern. Früh in seiner Laufbahn in die Nähe dieser Weite gekommen, kommt er jahrelang nur nah an diese heran – aber die Neun will einfach nicht an erster Stelle stehen. Das prägt einen Sportler. Und Julian Weber hat, das kommt im für diese Ausgabe mit ihm geführten Leichtathletik-Interview rüber, einen abermaligen Reifeprozess durchlaufen. Er macht keine großen Ankündigungen mehr, die ihn selbst unterbewusst unter Druck setzen könnten. Medaillenprognosen für die diesjährige WM? Fehlanzeige! Vielmehr besinnt sich Weber auf seine Stärke und offenbart, wie viel sein Neunziger in ihm gelöst hat. Was rüber kommt: Ein seit jeher äußerst sympathischer Sportler kann fortan befreiter auftreten. Die Zukunft kann also kommen.

Für die Leichtathletik liegt die Zukunft bei der Geuer Medien GmbH (Uetersen), die das Magazin ab der kommenden Ausgabe als Verlag und Herausgeber übernehmen wird. Damit endet eine lange erfolgreiche Zeit bei der Marken Verlag GmbH in Köln.

Alexander Dierke

42. Bietigheimer Silvesterlauf

Fragwürdiger Fall

Köln, 3. Juni

Liebe Leserinnen und Leser,
die ersten Nominierungen für die WM im September wurden durch den Deutschen Leichtathletik-Verband in den vergangenen Tagen vollzogen und verkündet. Wie in der Vergangenheit üblich, endet der Qualifikationszeitraum für die Marathonis vorzeitig – entsprechend erfolgt hier auch die Vergabe der bis zu drei WM-Tickets verfrüht. Der nationale Verband aber will nun nur zwei Athleten nach Tokio schicken, Amanal Petros und Richard Ringer. Ein Mangel an weiteren konkurrenzfähigen Marathonläufern? Mitnichten. Vielmehr lässt der DLV bewusst einen der drei Plätze frei – obwohl Hendrik Pfeiffer als drittbester Deutscher (Samuel Fitwi und Sebastian Hendel verzichten) auch hätte zu den globalen Titelkämpfen reisen dürfen. Zumindest vonseiten des Weltverbandes World Athletics aus. Denn im Ranking-System hätte er eine entsprechende Position inne. Einzig die Leistungsbestätigungsnorm des DLV hat der 32-Jährige nicht erfüllt, doch genau hier beklagt Pfeiffer einen wesentlichen Punkt. Denn die Norm von 2:07,50 Stunden sollten die Athleten zwischen September 2024 und Mai 2025 erbringen, allerdings wurde dies durch den DLV erst im vergangenen Dezember rückwirkend festgelegt. „Leider habe ich die Rechnung ohne den DLV gemacht. Die Hürde, sich international für die WM zu qualifizieren – wie es mir locker gelungen ist –, scheint wesentlich leichter zu sein, als seinen eigenen Verband auf seiner Seite zu haben“, lautet seine Kritik. „Um als weiterer Athlet zum Kreis der Normerfüller dazuzustoßen, boten sich bei den Frühjahrsmarathons zahlreiche Gelegenheiten“, heißt es vonseiten des DLV. Das weitere Problem: Pfeiffer unterzog sich im März einer Fußoperation, um bei der WM im September voll einsatzfähig zu sein. Diese Entscheidung habe er sowohl mit der Bundeswehr als auch dem Bundestrainer abgestimmt, zudem hätte es vonseiten Dr. Jörg Bügners, Vorstand Leistungssport, geheißen, „dass die Weltmeisterschaft das einzige Event in diesem Jahr ist, was für den DLV eine Relevanz hat“. Die Erbringung der Leistungsbestätigungsnorm stand für Pfeiffer so nicht länger auf dem Programm. Kehrseite ist, dass der Athlet Anfang Mai bei dem Charity-Lauf „Wings for Life World Run“ teilgenommen hat – der Verband wirft ihm das vor. Doch der Sportsoldat betont die Unterschiede zwischen der Teilnahme an einem Charity-Lauf und der Nacheiferung einer Norm. Man sollte beim DLV über die Kritik nachdenken, denn vernünftige Gründe für die Nicht-Nominierung Pfeiffers gibt es nicht.

Alexander Dierke

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Künftiger Weltstar?

Köln, 6. Mai

Liebe Leserinnen und Leser,
es ist durchaus heiß an diesem Augusttag in Berlin. Die Temperaturen liegen bei hochsommerlichen 30 Grad – auch am Abend ist es noch hitzig. Das liegt zum einen daran, dass es nicht wirklich abkühlt, zum anderen liegt es an dem, was an diesem Tag in der deutschen Hauptstadt geboten wird. Wir schreiben das Jahr 2009, und im Olympiasta- dion steht im Rahmen der Leichtathletik-Weltmeisterschaften das 100-Meter-Finale der Männer auf dem Programm. Die Größten ihrer Zeit messen sich auf der Bahn und fighten um den Titel – mit dabei etwa der US-Amerikaner Tyson Gay. Und natürlich Usain Bolt. Der jamaikanische Sprinter überstrahlt damals alle. An diesem 16. August 2009 setzt er die Grenzen in der Königsdisziplin der Leichtathletik neu. Denn ab dem 30. Meter wird es die erhoffte Bolt-Show mit einem Ausgang, der noch einmal alle Erwartungen toppt: Nach 9,58 Sekunden stürmt der Ausnahmeläufer über die Ziellinie. Weltrekord. Bis heute ist niemand mehr ansatzweise in diese Region vorgedrungen. Tyson Gay noch im selben Jahr und Yohan Blake sind mit Zeiten von 9,69 Sekunden diejenigen, die am nächsten herangekommen sind. Aber eben nur am nächsten.

„Er sieht aus wie mein junges Ich“, schreibt der schnellste Mann der Welt im Dezember vergangenen Jahres auf Instagram. Gemeint ist mit diesen Worten ein Athlet, der Bolt über seine zweite Fabeldistanz, die 200 Meter – Bolts Weltrekord liegt hier bei 19,19 Sekunden –, kürzlich besiegt hat. Zumindest, wenn man die einstigen Zeiten des 16-jährigen Bolt zum Vergleich herbeizieht. Gout Gout heißt der junge Mann, über den in den vergangenen Wochen und Monaten immer häufiger gesprochen wird. Ein Australier, der inzwischen 17 Jahre jung ist und schon im Winter über 200 Meter brilliert. Kürzlich läuft er dann zweifach in 9,99 Sekunden über die 100 und in 19,84 Sekunden über die 200 Meter. Das weckt Hoffnungen, große Hoffnungen sogar. Doch kann dieses „Wunderkind“ tatsächlich eines Tages für solche Sportmomente sorgen, wie sie Bolt geliefert hat – mit sporthistorischen Momenten wie dem eingangs beschriebenen in Berlin? Der Frage gehen wir in unserem Top-Thema in der aktuellen Leichtathletik-Ausgabe nach.

Alexander Dierke

Athletissima; Lausanne, 22.08.2024 MAHUCHIKH Yaroslava (UKR) at Athletissima; Lausanne, 22.08.2024 *** Athletissima Laus

Besonderer Start

Köln, 22. April

Liebe Leserinnen und Leser,
nach der weitestgehend wettkampffreien Zeit ist endlich wieder der Moment gekommen, ab dem im Meeting-Kalender so einiges los ist. In den vergangenen Tagen standen etwa mit den Straßenlauf-Europameisterschaften und den Deutschen Meisterschaften im Straßengehen schon erste Titelentscheidungen auf dem Programm. Kurz vor Druckschluss dieser Leichtathletik-Ausgabe galt es am Ostermontag dann wieder, seine Blicke über den Großen Teich nach Boston schweifen zu lassen. Denn dort ging der traditionelle Marathon über die Bühne – der übrigens erstmals im Jahr 1897 ausgetragen wurde. Geschichten wurden seitdem schon so einige geschrieben, doch ein siegreiches Bruderpaar gibt es erst, seit John Korir bei der diesjährigen 129. Ausgabe der Veranstaltung als erster die Ziellinie in der Hauptstadt von Massachusetts überquerte.

Es sind doch irgendwie genau diese Augenblicke, die den Sport und die Leichtathletik auszeichnen und auf die man sich Saison für Saison freuen darf. Die bevorstehende Wettkampfperiode wird bekanntlich wieder eine besondere sein, finden die Weltmeisterschaften schließlich erst im September statt. Ein besonderes (besonders langes) Jahr wartet auf die Athletinnen und Athleten wie auch die Fans – denn in besagtem Meeting-Kalender lassen sich durch die späte WM-Austragung so manche Veränderungen ausmachen. Auch in Hinblick auf die Diamond League. Die Elite-Serie des Weltverbands World Athletics startet am 26. April im chinesischen Xiamen in die Saison 2025 und wird in diesem Jahr zu einer Art Warm-up-Wettkampf-reihe für die World Championships. Hier lässt es sich gegen die Besten des Globus duellieren und proben – doch das bedeutende Edelmetall wird anderswo vergeben. Zudem hat der Veranstalter auch noch mit neuen Konkurrenzangeboten zu kämpfen. Kurzum lässt sich festhalten: Auch in ihrer nunmehr 16. Saison ist die Diamond League in gewisser Weise noch auf der Suche nach ihrem Standing.

Alexander Dierke

06.04.25, Generali Berliner Halbmarathon 2025, SCC Events

Ein langer Sommer

Köln, 8. April

Liebe Leserinnen und Leser,
endlich ist es so weit: Die Freiluftsaison 2025 steht in den Startlöchern. Mit den Deutschen Meisterschaften im Marathon und dem Halbmarathon in Berlin sind auch hierzulande zuletzt schon zwei große Läufe über die Bühne gegangen. Und was für welche! Besonders den Wettkampf in der Hauptstadt wird man so schnell nicht vergessen, lieferte er aus nationaler Sicht doch Historisches: Amanal Petros blieb als erster Deutscher über die 21,0975 Kilometer unterhalb der Stunden-Marke. Ein Meilenstein, mit dem der 29-Jährige vor allem in Europa stark vertreten ist. Auf die anstehende Premiere der Straßenlauf-Europameisterschaften verzichtet Petros folglich übrigens – er hat seine Prioritäten anders gesetzt. Der DLV-Athlet ist bei weitem nicht der einzige, der diese Entscheidung so für sich getroffen hat. Ohnehin darf infrage gestellt werden, ob der Schritt einer Ausgliederung der Titelvergaben im Halbmarathon, Marathon und über die 10 Kilometer von den klassischen Europameisterschaften sinnvoll ist.

Bei den diesjährigen Weltmeisterschaften werden die Disziplinen hingegen weiterhin vertreten sein, das globale Championat steht vielmehr deshalb besonders im Fokus, weil die Titelentscheidungen erst im September anstehen. Natürlich sind diese das Ziel eines jeden Athleten – dementsprechend gilt es, sich auf eine durchaus lange Saison einzustellen. Jeder Sportler wird seinen eigenen Weg finden müssen, um im Spätsommer seinem Leistungsmaximum möglichst nahezukommen. Ohnehin versprechen die diesjährigen Freiluft-Meetings und speziell die WM reichlich Spannung. Denn es sind nicht nur die etablierten Stars um den schwedischen Stabhochspringer Armand Duplantis, die es im Auge zu behalten gilt. Vielmehr haben in der zurückliegenden Hallensaison auch einige Newcomer wie beispielsweise der deutsche Mehrkämpfer Till Steinforth und die US-Stabhochspringerin Amanda Moll mit starken Leistungen dafür gesorgt, dass sie fortan unter besonderer Beobachtung stehen

Alexander Dierke

World Athletics Indoor Championships Nanjing, 22.03.2025

Neuer Hoffnungsträger

Köln, 25. März

Liebe Leserinnen und Leser,
erinnern Sie sich noch an den Morgen des 9. Junis 2023? Die Nachrichtenwelt war gefüllt mit der Berichterstattung über den deutschen Rekord eines jungen Zehnkämpfers – weit über die Grenzen des Leichtathletik-Kosmos hinaus! Leo Neugebauer hieß der gute Mann, um den sich alles drehte. Seine von ihm inzwischen längst übertroffenen 8.836 Punkte sorgten für großes Staunen: Schließlich knackte der damals 22-Jährige damit den 39 Jahre alten deutschen Zehnkampfrekord von Jürgen Hingsen. Im folgenden Sommer kämpfte Neugebauer bei der WM um die Medaillen mit, im Vorjahr pulverisierte er auch den deutschen Siebenkampf-Rekord in der Halle, packte auf seine nationale Outdoor-Bestmarke noch einmal 125 Zähler drauf und gewann schließlich olympisches Silber. Doch einen Teil dieser Lorbeeren musste Neugebauer Anfang März wieder abgeben – weil in Apeldoorn plötzlich ein 22-Jähriger im DLV-Team emporstieg, der durchaus an „Leo the German“ erinnert: Till Steinforth. Starten tut der Athlet auf nationaler Ebene für den SV Halle, doch im Prinzip lässt sich seine Leistungsentwicklung ebenfalls mit der Ausbildung in den USA begründen. Steinforth studiert seit 2021 an einer Universität im US-Bundesstaat Nebraska – noch in diesem Jahr wird er dort seinen Bachelor im Fach Architektur machen. Doch vor allem haben ihm die dortigen Gegebenheiten nun sportlich zwei Bronzemedaillen bei internationalen Meisterschaften eingebracht: In Apeldoorn sorgten 6.388 Punkte für die angesprochene „Hallen-Wachablösung“ Neugebauers. Und bei den Hallen-Weltmeisterschaften im chinesischen Nanjing sorgte Steinforth nun für so etwas wie den einzigen echten Lichtblick eines äußerst dezimierten DLV-Teams. Überraschend? Für viele – den Deutschen Leichtathletik-Verband auch?! – möglicherweise, nicht jedoch für den Mehrkämpfer selbst. Er wusste schon länger, welches Potenzial in ihm schlummert und hat seine Saisonziele nun im Prinzip bereits übertroffen: Die Erzielung eines deutschen Rekords und den Gewinn internationalen Edelmetalls. Ist es „bloß“ die reine sportliche Ausbildung in den USA oder auch der Glaube an sich selbst, der so stark macht? In jedem Fall zeigt nach Leo Neugebauer nun der nächste deutsche US-Mehrkämpfer, dass er in Zukunft großes vor hat.

Alexander Dierke

European Athletics Indoor Championships 2025; Apeldoorn, 07.03.2025

Zahlenspiele

Köln, 11. März

Liebe Leserinnen und Leser,
viermal Edelmetall, Rang 16 im Medaillenspiegel. Beim Blick auf die nackten Zahlen ist das Abschneiden der deutschen Athletinnen und Athleten bei den Hallen-Europameisterschaften wieder einmal ernüchternd. Ein EM-Titel ist im niederländischen Apeldoorn nicht herausgesprungen, nicht einmal für Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye oder Weitspringerin Malaika Mihambo – und das offenbart die momentane Ausgangslage in der deutschen Leichtathletik. Ja, der DLV besitzt inzwischen wieder vereinzelte Sportlerinnen und Sportler von Weltklasse-Format – um ehrlich zu sein vor allem die beiden genannten Athletinnen. Aber: Wenn die Besten nicht performen, sieht es für das Kollektiv oftmals düster aus. Zwei Silber- und zwei Bronzemedaillen sind natürlich noch ein Ertrag, aber es zeigt selbst bei kontinentalen Titelkämpfen unter dem Hallendach einen rückläufigen Trend auf: 2021 gewann das DLV-Team noch sechs, 2023 immerhin noch fünf Medaillen. Jetzt ließe sich argumentieren, dass längst nicht alle deutschen Leichtathleten in der Arena anwesend waren, die auch im Sommer „zur Verfügung“ stehen. Dennoch war Deutschland vielköpfig vertreten – und: Es war „nur“ ein Vergleich gegen die europäische Konkurrenz. Noch dazu indoor. Dass man diesen Herausforderungen nicht so wirklich standgehalten hat, verheißt nichts Gutes. Etwa die männlichen Stabhochspringer hatten sich durch das Fernbleiben von Armand Duplantis echte Medaillenchancen ausgerechnet. Auch die Hochspringerinnen hatten auf mehr gehofft, als es dann wurde. Eigentlich ist es das gleiche Bild wie immer: Deutsche Athleten sind oft nah dran an den besten fünf, sechs dieses Kontinents oder gar des Globus, doch die Hürde dahin kann nicht überwunden werden. Apropos Hürden: Marlene Meier hat bei ihrem ersten großen Finale als Sechste überzeugt – wenngleich auch sie nicht an ihr Optimum herankam. Auch Dreispringer Max Heß sendete mit Silber positive Signale. Gleichermaßen Mehrkämpfer Till Steinforth, der „überraschend“ den deutschen Hallenrekord von Leo Neugebauer knackte und sich mit Bronze dafür belohnte. Und natürlich haben auch Mihambo und Ogunleye Medaillen gewonnen. Aber neunfaches Edelmetall wie von der Gastgebernation liest sich einfach anders. Zumal Oranje die Heim-Party mit sieben Goldmedaillen versüßte.

Alexander Dierke

Hallen DM 2025

Eine Frage der Attraktivität

Köln, 25. Februar

Liebe Leserinnen und Leser,
Dortmund hat Lust auf Leichtathletik! Das haben die diesjährigen Deutschen Hallenmeisterschaften wieder einmal gezeigt. Bereits die Wettkämpfe am Freitagabend waren gut besucht (es stand unter anderem Kugelstoß-Olympiasiegerin Yemisi Ogunleye im Ring – und dankte mit neuer PB), am Wochenende waren die Titelkämpfe dann an beiden Tagen restlos ausverkauft. Jeweils 4.000 Zuschauer waren so dabei, als etwa die Sprinter auftrumpften: Robin Ganter lief zum überraschenden Double über 60 und 200 Meter, Alexandra Burghardt holte sich auf der kurzen Distanz Gold mit neuer PB, Youngster Johanna Martin verteidigte ihren 400-Meter-Titel und im Hürdensprint präsentierte sich Marlene Meier in Top-Form. Auch sonst gab es ein paar Highlights: 6,79 Meter von Weitspringerin Malaika Mihambo etwa – wenngleich sie selbst mit ihrem Wettkampf nicht ganz zufrieden war. Oder der Gold-Ausflug von Majtie Kolberg auf die 1.500 Meter. Auch 17,00 Meter von Max Heß waren stark und offenbarten doch ein bekanntes Problem: Der Dreispringer gewann mit weit über einem Meter Vorsprung. In seiner Disziplin ist das Leistungsgefälle national seit Jahren groß, doch auch in anderen Disziplinen hat diese Hallen-DM wieder einmal untermauert, dass das Niveau teils nur mittelmäßig und der Abstand auf die Weltspitze teils immens ist. „Es gibt eine überschaubare Anzahl an Athletinnen und Athleten, die zur Spitze zählen“, lautete ein Fazit des DLV-Sportvorstandes Dr. Jörg Bügner auf der abschließenden Pressekonferenz.
In erster Linie sind es Leistungen, mit denen neue Menschen für die Leichtathletik begeistert werden können. In Dortmund war die Halle wie angesprochen voll, und doch muss man auch anmerken, dass die Kapazität begrenzt war. Zum Vergleich: Samstagabend pilgerten 75.000 Personen draußen an der Arena vorbei zum Fußball-Bundesliga-Spiel von Borussia Dortmund … Das Thema Attraktivität spielte jedenfalls auch für die Organisatoren der Hallen-DM eine Rolle – man hatte sich etwa Lichtershows für die Athletenpräsentationen überlegt. Eine gute Idee. Anders sah es beispielsweise mit den Siegerehrungen aus, diese fanden für diejenigen, die erst am Tagesende angetreten waren, (teils weit) nach Wettkampfende statt. Zu diesem Zeitpunkt war die Halle sowohl am Samstag als auch am Sonntag so gut wie zuschauerleer. Es braucht Verbesserungsmaßnahmen. Das weiß, so fair muss man sein, auch der DLV.

Alexander Dierke

ISTAF Indoor; Duesseldorf, 09.02.2025

Innovativ in die Grube

Köln, 11. Februar

Liebe Leserinnen und Leser,
ein 34 Zentimeter langes Brett, dahinter eine sechs Zentimeter lange Anlaufbahn: Es sind diese 40 Zentimeter, über die in den vergangenen Tagen (erneut) lebhaft diskutiert wurde. Denn kurz vor dem ISTAF Indoor in Düsseldorf verkündeten die Veranstalter so etwas wie eine Sensation – die erstmalige Austragung eines Weitsprung-Wettkampfs mit Take-off-Zone. Entsprechende Gedanken sind beim Weltverband World Athletics schon vor längerer Zeit aufgekommen, bei den Weltmeisterschaften 2023 in Budapest seinen laut WA-Präsident Sebastian Coe rund ein Drittel aller Versuche im Frauen-Weitsprung ungültig gewesen. Die Schlussfolgerung: Dies sei langweilig für die Zuschauer. Aber ist das wirklich so? Schließlich ist der Punkt Anlauf und Brett treffen doch das schwierigste Element des Weitsprungs – und geht es nicht darum, die kompletteste Weitspringerin oder den komplettesten Weitspringer zu ermitteln? Zeichnet nicht exakt das Weltklasse aus? Und vor allem sorgt doch genau das auch für Spannung! Sicherlich, die Leichtathletik muss attraktiver werden, nicht nur für neue Zielgruppen. Doch muss man deshalb die Regeln der einzelnen Disziplinen grundsätzlich verändern? Man stelle sich vor, man würde im Basketball den Korb vergrößern, nur weil es nicht genug Treffer gibt. Eine unsinnige Idee, nicht zuletzt für US-Leichtathletik-Ikone Carl Lewis, der diesen Gedanken aufgebracht hat. Anders sieht es Deutschlands Beste. Malaika Mihambo machte nach dem Test in Düsseldorf sportlich „nur positive Aspekte“ aus. Und natürlich hat sie Recht damit, dass mit einer solchen Regeländerung die tatsächlichen Weiten ermittelt würden. Aber: An ihre starken 7,07 Meter aus Karlsruhe ist die 31-Jährige beim ISTAF nicht ansatzweise herangekommen – ihr bester Versuch wurde bei einer Weite von 6,87 Metern markiert. Und genau hier kommt das nächste Problem auf: Denn es wird zwar die tatsächliche Weite ermittelt, für die Zuschauer ist jedoch im ersten Moment in Düsseldorf nicht ersichtlich gewesen, wie viel ein Sprung wirklich wert war. Zudem war da die verzögerte Übermittlung der Weiten. Aber es waren eben von insgesamt 42 Versuchen auch nur fünf ungültig – die entsprechende Quote sank verglichen mit Budapest auf zwölf Prozent. Doch ist das tatsächlich so wichtig?

Alexander Dierke

(240802) -- PARIS, Aug. 2, 2024 -- Christina Honsel of Germany competes during the women s high jump qualification of At

So nah, so fern?!

Köln, 28. Januar

Liebe Leserinnen und Leser,
der Auftakt in die Hallensaison 2025 ist geglückt. Was für zahlreiche deutsche Athletinnen und Athleten gilt – Jessica-Bianca Wessolly läuft 22,84 Sekunden über 200 Meter, Yemisi Ogunleye stößt in ihrem zweiten Wettkampf des Jahres 19,77 Meter, Weitspringer Simon Batz setzt 8,05 Meter in den Sand und Gina Lückenkemper spult die 60 Meter in 7,32 Sekunden ab – hat insbesondere für die nationalen Hochspringerinnen Bestand. Christina Honsel und Imke Onnen sind die beiden Protagonistinnen, um die sich hierzulande in der jüngeren Vergangenheit alles dreht, wenn man gewollt ist, das Wort „Weltklasse“ zu verwenden. Zum Saisoneinstand geht es für die 27-Jährige und die 30-Jährige über 1,90 und 1,93 Meter; das ist mit Blick auf ihre bisherige Laufbahn für Honsel der beste und für Onnen der zweitbeste Auftakt unter dem Hallendach.

Mit solchen Leistungen gehört man zu den weltbesten Athletinnen, mit jedem Zentimeter mehr steigert sich das Ansehen noch einmal – das DLV-Duo belegte im Vorjahr Rang acht bei den Europameisterschaften (Onnen) und Platz sechs bei den Olympischen Spielen (Honsel). Das sei gepriesen – und doch belegten die beiden DLV-Hochspringerinnen in der Weltjahresbestenliste 2024 „nur“ die Ränge 16 und 24. Ganz nah dran an der Spitze und den Medaillen, aber dennoch (so weit) entfernt. Im Höhenbereich zwischen 1,90 und 2,00 Meter kann schon ein Zentimeter Grenzen verschieben. Es sei gesagt: Es braucht die zwei Meter, um sich selbst ein Denkmal zu setzen. Christina Honsel und Imke Onnen ist das zuzutrauen. Aber wenn man ehrlich ist, ist auch anzumerken: Beide scheinen gerade nahe des Peaks ihrer Leistungsfähigkeit zu sein. Ein solcher Zustand hält nicht ewig an.

Gut also, dass mit Johanna Göring auch noch ein äußerst vielversprechendes deutsches Talent anklopft. Seit Jahren. Obgleich sie gerade einmal 19 Jahre alt ist. Was all diese Parameter für die Ausgangslage im nationalen Hochsprung der Frauen bedeuten, beleuchten wir im Top-Thema der neuen Leichtathletik-Ausgabe genauer.

Alexander Dierke