Category : Blog Leichtathletik

Athletics - Olympic Games Paris 2024: Day 14

Verdiente Auszeichnung

Köln, 15. Januar

Liebe Leserinnen und Leser, Yemisi Ogunleye und Leo Neugebauer sind unsere „Leichtathleten des Jahres“ 2024. Zwei Olympia-Helden, die jedoch in der vergangenen Saison längst nicht nur in Paris geglänzt haben. Vielmehr widersprachen die Kugelstoßerin und der Zehnkämpfer einem Trend: nämlich jenem, dass die deutsche Leichtathletik aktuell nicht in der Weltklasse stattfände. Ogunleye und Neugebauer gehören sehr wohl zu den Besten des Globus – alles andere würde nach olympischem Gold und olympischem Silber auch für Fragezeichen sorgen. Die Entwicklungen der beiden Athleten sind hingegen durchaus unterschiedlich – und doch haben sie gemeinsam, dass beide (für den Außenstehenden so wirkend) von jetzt auf gleich so richtig durchstarteten.

Neugebauer gelang sein Durchbruch schon 2023, der US-Student stieg damals mit seinem deutschen Rekord quasi über Nacht zum Hero auf. Im vergangenen Jahr schraubte er diese Bestmarke erneut beeindruckend in die Höhe und kratzt längst an der 9.000-Punkte-Marke. Silber in Paris war wohl „bloß“ eine vorübergehende Krönung. Und Yemisi Ogunleye? Die hat 2024 eine Geschichte geschrieben, die wohl in keinem Drehbuch besser hätte stehen können. Mit dem Hallenauftakt in Nordhausen steigerte die 26-Jährige damals auf Anhieb ihre persönliche Bestleistung, es folgte Silber bei der Hallen-WM und der erste Stoß über 20 Meter. Ogunleye war angekommen in der Weltspitze. Im Sommer hatte sie dann – ganz im Stile einer Gospelsängerin – ihre großen Auftritte: Auf eine Bronzemedaille bei der EM folgte der Olympiasieg. Wieso die dort mit dem letzten Versuch gestoßenen exakt 20,00 Meter für die gläubige Athletin von so besonderer Bedeutung sind, verrät sie im Sieger-Interview in dieser Ausgabe. Was ansonsten bleibt: Es ist wieder einmal schön zu sehen, wie sehr sich die beiden Gewinner über die Auszeichnung freuen.

Alexander Dierke

World Athletics Indoor Championships Glasgow 2024 - Day One Christina Honsel from Germany is competing in the high jump

Momente für die Ewigkeit

Köln, 17. Dezember

Liebe Leserinnen und Leser,
jetzt ist es endgültig Zeit für einen Rückblick: Das Jahr 2024 ist in wenigen Tagen vorüber und damit ein Jahr, auf das im Vorfeld lange hingefiebert wurde. Olympische Spiele stehen schließlich nur in jeder vierten Saison auf dem Programm. Und in puncto deutsche Leichtathletik waren die Wettkämpfe, oder besser gesagt die Leistungen der DLV-Athleten in der französischen Hauptstadt Paris ja ohnehin unter besonderer Beobachtung. Nach schwachen letzten Jahren; und in Hinblick auf die angestrebte Rückkehr Deutschlands unter die Top Fünf der Welt bis 2028. Sie wissen, wie der Jenga-Turm deutsche Leichtathletik aktuell zusammengesetzt ist …

Eine Therapie ist da schon länger notwendig, doch was bringt diese für die nationale Leichtathletik nach dieser Saison 2024 als Zwischenfazit hervor? Vielleicht einfach so viel: Es ist kompliziert – aber die erste Trendumkehr (eines dieser Wörter der jüngeren Leichtathletik-Vergangenheit) ist gelungen. Auf Verbandsebene wurden einige Änderungen vollzogen, auf Seite der Athleten haben Medaillen bei den Europameisterschaften sowie in Paris für besondere Momente gesorgt. Dass es für die DLV-Delegation im Stade de France vierfach Edelmetall gab, ist etwa im Vergleich zu Tokio 2021 eine Verbesserung. Und zum Jahresende ist es irgendwann auch mal genug mit der Nörgelei … Denn was von den vergangenen Monaten bleibt, sind auch zahlreiche unvergessliche Momente. Das sensationelle Kugelstoß-Gold von Yemisi Ogunleye etwa. Oder das starke Comeback von Hindernis-Spezialistin Gesa Krause. Und natürlich die Weltrekord-Show des schwedischen Stabhochsprung-Ausnahmekönners Armand Duplantis. Die außergewöhnlichsten Sportlerleistungen und Momente lassen wir nicht nur in unserem Jahresrückblick noch einmal aufleben, sondern die besten nationalen Athleten stehen auch als „Leichtathleten des Jahres“ zur Wahl.

Abschließend bleibt mir nun noch, mich für Ihre uns 2024 gegenübergebrachte Treue zu bedanken. Im Namen der Redaktion wünsche ich Ihnen besinnliche Weihnachtsfeiertage und einen guten Rutsch in das Jahr 2025.

 

Alexander Dierke

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Vergangenheit und Zukunft

Köln, 3. Dezember

Liebe Leserinnen und Leser,
wenn ein Athlet wie kein Zweiter die Faszination Leichtathletik verkörperte, dann war es wohl Hürdensprinter Edwin Moses. Der US-Ame- rikaner sorgte in den 1970er- und 80er-Jahren für überfüllte Stadien und einen Hype, der der Sportart gerecht wurde. Lange ist das her – und die Ausgangslage in der Leichtathletik sieht inzwischen anders aus. Edwin Moses hingegen ist noch immer ein großer Name. Das liegt zum einen an seinen historischen Leistungen, die bis heute seines gleichen suchen – 122 Rennen in Folge blieb der inzwischen 69-Jährige einst unbesiegt. Zum anderen sind es aber vor allem auch seine Verdienste für den Sport, die ihn einzigartig machen: Moses setzte sich von Beginn seiner Karriere an für eine faire Bezahlung von Athleten sowie einen sauberen Sport ein. Ungerechtigkeit war schon stets ein Thema, das den Mann, der sich seine Disziplin selbst beibrachte, beschäftigt. Daran hat sich auch knapp 40 Jahre nach dem Ende seiner Karriere nichts geändert. Ohnehin: Wenn man mit Edwin Moses spricht, verkörpert er noch immer diesen unbändigen Willen und eine große Weisheit. Er blickt mit Stolz auf seine Laufbahn zurück, spricht gerne über besondere Meilensteine in der damaligen Zeit – und fühlt sich geehrt durch einen Kinofilm, der in dieser Woche anläuft und seinen einzigartigen Werdegang porträtiert. Aber er blickt auch noch immer kritisch auf die Welt der Leichtathletik. Die großen Typen, wie er oder beispielsweise US-Sprinter Michael Johnson einst einer waren, fehlen heutzutage – wenngleich Moses der Meinung ist, dass es noch immer genügend Stars gibt. Themen wie Doping-Bekämpfung seien noch immer nicht ausreichend entwickelt, in Sachen Rassismus könne der Sport früher wie heute hingegen verbinden. Kurzum: Ein Gespräch mit Edwin Moses ist durchaus besonders. Eine Stunde hat er sich Zeit genommen, das Ergebnis lesen Sie in dieser Ausgabe. Übrigens: Dass das Interesse an der Leichtathletik so sehr zurückgegangen ist, beschäftigt auch Moses. Insofern ist es durchaus spannend, dass der Weltverband World Athletics dieser Tage die Einführung der „Ultimate Championships“ verkündet hat. Man will mit einer innovativen WM 2.0 das Interesse der Sportwelt (zurück-)erobern.

 

Alexander Dierke

Rom, Leichtathletik, Athletics, Track and Field, EAA, Leichtathletik EM Rom 2024 European Championships Rom , 07.06-12.0

Zeit für Reflexion

Köln, 19. November

Liebe Leserinnen und Leser,
das Jahr 2024 neigt sich so langsam dem Ende zu – dabei sind doch gefühlt gerade erst die Olympischen Spiele über die Bühne gegangen! Die Zeit rast, und während sich so langsam bereits ein Hauch von Vorweihnachtszeit über den Alltag legt, bereiten sich die Leichtathleten längst auf die kommende Saison vor. Im Redaktionsalltag ist hingegen Zeit für Reflexion: Was hat uns in diesem Jahr in der Leichtathletik besonders bewegt, wer hat uns besonders imponiert, was waren die Momente, die uns in Erinnerung bleiben? Und natürlich stellt sich auch die uns Sportjournalisten seit langem begleitende Frage: Wo steht sie eigentlich, die deutsche Leichtathletik? Letztere Frage versuchen wir, Ihnen fortlaufend durch die Inhalte in unserem Magazin zu „beantworten“. Doch nicht nur diese, sondern auch die zuvor genannten Fragen möchten wir natürlich gerne an Sie weitergeben. Parallel zu den aktuellen Produktionen arbeiten wir gemeinsam mit dem Deutschen Leichtathletik-Verband und den „Freunden der Leichtathletik“ an den Kandidaten für die Wahl der „Leichtathleten des Jahres“. Die Vorauswahl werden wir Ihnen wie gewohnt Mitte Dezember präsentieren.
Und doch gibt es bereits jetzt so manche Anekdoten, die in Erinnerung bleiben, wenn man an die Saison 2024 zurückdenkt. Ein durchaus besonderer Moment hat sich für mich gleich zu Beginn dieses Kalenderjahres ereignet: der 90-Meter-Wurf von Speerwurf-Youngster Max Dehning. Als damals die Nachricht reinkam, ein deutscher Speerwerfer habe die 90-Meter-Marke geknackt, waren die Gedanken zunächst natürlich bei Julian Weber. Doch schnell war klar: Diese 90,20 Meter konnten nicht von dem sich in der Offseason befindenden Weber stammen. Umso größer war dann noch einmal das Erstaunen darüber, dass dem damals erst 19 Jahre alten Dehning diese Leistung gelungen war. Doch was mir in der Folge noch viel mehr imponiert hat, ist, dass der Leverkusener anschließend nicht abgehoben ist. Er wusste sein Resultat aus Halle/Saale immer realistisch einzuschätzen – weiß, dass er noch nicht konstant in diesem Bereich unterwegs ist. Genau diese gesunde Selbsteinschätzung braucht es, um in Zukunft einmal erfolgreich unterwegs zu sein. Fest steht dennoch: Max Dehning ist einer unserer Senkrechtstarter 2024. Im Top-Thema dieser Ausgabe nehmen wir ihn und weitere DLV-Talente für Sie genauer unter die Lupe.

 

Alexander Dierke

PARIS, FRANCE - 4 AUGUST, 2024: MAHUCHIKH Yaroslava, High Jump, Olympic Games, Olympische Spiele, Olympia, OS 2024 PUBLI

Verdiente Sieger

Köln, 5. November

Liebe Leserinnen und Leser,
Jaroslawa Mahutschich und Armand Duplantis sind die europäischen Leichtathleten des Jahres. Die ukrainische Hochspringerin und der schwedische Stabhochspringer haben die Jury des Kontinentalverbandes European Athletics bei deren Betrachtung der Saison 2024 überzeugt. Und mal ehrlich: Das war nicht schwer! Selten habe ich in den letzten Jahren in der Leichtathletik eine solch große Dominanz erlebt, wie die beiden Höhenflieger sie in den zurückliegenden Monaten ausgestrahlt und hingelegt haben. Gewiss, beide sind keine Neulinge mehr – trotzt ihres noch immer jungen Alters von gerade einmal 23 (Mahutschich) beziehungsweise 24 (Duplantis) Jahren. Doch bei den sportlichen Highlights anno 2024 haben sie der Konkurrenz schlicht keine Chance gelassen: Beide haben den EM-Titel gewonnen, aus Paris eine olympische Goldmedaille entführt und zum Abschluss auch noch den Gesamtsieg in der Diamond League errungen. Ganz schön eindrucksvoll? Na ja! Denn die zwei Protagonisten haben natürlich noch viel mehr zu bieten gehabt: Ganze drei Weltrekorde an der Zahl hat Armand Duplantis in diesem Jahr aufgestellt. Die zehn besten Sprünge aller Zeiten gehen nun auf das Konto des Ausnahmekönners, der seit Sommer 2023 keinen Wettkampf mehr verloren hat. Perfekter als den Olympiasieg mit einem (inzwischen von ihm geknackten) Weltrekord von 6,25 Metern zu besiegeln, hätte es für ihn kaum laufen können. Paris ist diese Saison schlicht ein gutes Pflaster gewesen. Denn hier trumpft auch Mahutschich auf – wenngleich ihr ergebnistechnisches Highlight gut einen Monat vor Olympia ansteht: Beim Diamond-League-Meeting knackt sie den seit 1987 bestehenden Hochsprung-Weltrekord der Bulgarin Stefka Kostadinowa. 2,10 Meter sind in Relation eine gleichermaßen imponierende Leistung, wenngleich Mahutschich sich im Hochsprung – anders als Duplantis im Stabhochsprung – noch halbwegs einer Konkurrenz ausgesetzt sieht. Bleibt die spannende Frage, wohin es für beide Athleten in Zukunft noch gehen kann. Und vor allem: wie hoch hinaus?

 

Alexander Dierke

Running: Chicago Marathon Oct 13, 2024; Chicago, IL, USA; Ruth Chepngetich of Kenya finishes first in the women’s race,

Sportliche Mondlandung

Köln, 22. Oktober

Liebe Leserinnen und Leser,
als Chicago – die Metropole des Mittleren Westens – Mitte Oktober in das Zentrum der Aufmerksamkeit rückt, hat das ausnahmsweise mal nichts mit dem US-Wahlkampf zu tun. Für einen kurzen Moment sind weder ein TV-Interview der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris mit dem Haussender (Fox) ihres Kontrahenten Donald Trump noch eine wenige Tage später stattfindende Wahlkampf-Farce eben jenes Republikaners in einer Fast- Food-Kette Gesprächsstoff Nummer eins. Die Schlagzeilen schlagen dennoch hohe Wellen, die Dimensionen, in denen sich bewegt wird, reichen sogar hin bis zu einer Mondlandung. Einer sportlichen wohlgemerkt: Als die Kenianerin Ruth Chepngetich beim Chicago Marathon die rotgefärbte Ziellinie überquert, ist die Sport-Welt eine andere. 2:09:56 Stunden leuchten über ihr auf dem Zielbogen auf. Eine Fabelzeit, von der man noch am Morgen dachte, dass diese niemals würde möglich sein. Schlicht zu exzellent ist dieses Resultat, das vergleichbar ist mit einer Männer-Zeit von unter zwei Stunden. Der Tod der Leichtathletik? So zumindest reagiert der irische Mittelstreckler Stephen Kerr auf die Leistungsexplosion der 30-Jährigen. Um fast viereinhalb Minuten hat Chepngetich ihre vorherige Bestzeit verbessert, im Vergleich zum erst 2023 durch die Äthiopierin Tigist Assefa aufgestellten Weltrekord stoppen die Uhren in der Stadt am Lake Michigan beinahe zwei Minuten früher. „Es ist fast so, als würde man jemanden auf dem Mond landen sehen“, beschreibt die ehemalige US-Mittelstrecklerin Carrie Tollefson das Ausmaß einer real gewordenen Utopie. Kann nicht mehr mithalten, wer sauber ist? Chepngetich hat sich bislang nichts zuschulden kommen lassen. Aber Zweifel kommen durchaus auf, nicht zuletzt wird die Athletin durch Federico Rosa betreut – zwei ehemalige Sprösslinge von ihm wurden in der Vergangenheit des Dopings überführt. Hinzu kommt das allgemeine Doping-Problem in Kenia. Zumal der dortigen Nationalen Anti-Doping-Agentur die finanziellen Mittel unlängst drastisch gekürzt wurden. Aber: Eine Sportart entwickelt sich auch weiter – Training und Ausstattung (Stichwort Carbon-Schuhe) sind heute ein anderes als noch vor 20 Jahren. Genau hinschauen lohnt sich definitiv – das gilt für den US-Wahlkampf wie auch sportliche Fabelleistungen an der Grenze des Möglichen.

 

Alexander Dierke

(240929) -- BERLIN, Sept. 29, 2024 -- Participants start during the Berlin Marathon 2024 in Berlin, capital of Germany,

Geteiltes Interesse

Köln, 8. Oktober

Liebe Leserinnen und Leser, während die meisten Leichtathleten aktuell im Urlaub weilen oder aber bereits die Vorbereitung für die kommende Saison wieder aufgenommen haben, ist für die Marathoni derzeit Prime-Time. Hierzulande haben Köln und Berlin zuletzt den Anfang gemacht, ehe uns nun ein goldener Oktober mit den Rennen in Chicago, Amsterdam und Frankfurt bevorsteht. Vor allem der Chicago Marathon darf wieder mit großer Spannung erwartet werden ob großer Namen, die an den Start gehen werden. Doch spektakulär wurde es auch bereits zuletzt in der Hauptstadt. Denn nicht nur feierte der Berlin-Marathon sein 50. Jubiläum, sondern zelebrierte das auch in einem angemessen Rahmen: Mit über 50.000 Finishern überquerten mehr Menschen die Ziellinie als jemals zuvor.

Die Leichtathletik wird also auch im Breitensport geliebt. Vor allem Halb- und Marathons finden seit jeher große Begeisterung. Bei denjenigen, die zuschauen, und bei denjenigen, die mitmachen. Eine gute Sache, schließlich bewegt sich die Nation, und es entsteht ein Gefühl von Gemeinschaft. Doch es ist ein Unterschied, ob manch einer (oder auch manch einer mehr) gerne mal einen Marathon läuft oder aber dies professionell betreibt. Denn das Interesse am Leistungssport ist gering – das trifft vor allem auf Talente zu, die als Jugendliche vor die Entscheidung gestellt werden, welchen Karriereweg sie zukünftig einschlagen wollen. Spitzensport und speziell die Leichtathletik stehen da nicht hoch im Kurs. Und dieses Bild zeichnet sich – im Widerspruch zum Interesse an bestehenden Veranstaltungen – doch auch in der Gesellschaft ab: Aktuell wird wieder über eine mögliche deutsche Olympia-Bewerbung diskutiert. Also über einen Schritt, der in der Vergangenheit bereits mehrfach scheiterte – weil die Bevölkerung in der Gesamtheit gegen eine Bewerbung war. Das dürfte dieses Mal nicht anders sein, wurzeln die Probleme im deutschen Sport schließlich tief. Daran ändern leider auch über 50.000 Finisher beim Berlin-Marathon nichts.

Alexander Dierke

OGUNLEYE Yemisi (Deutschland) jubelt ueber den Sieg und die Gold Medaille, Kugelstoßen Frauen, Finale, FRA, Olympische S

Zeit für ein Fazit

Köln, 24. September

Liebe Leserinnen und Leser,
die Freiluft-Saison 2024 ist beendet. Zu dessen Abschluss waren noch einmal eine handvoll DLV-Athleten beim Diamond-League-Finale in Brüssel vertreten, wobei mit Julian Weber, Yemisi Ogunleye und Max Heß drei deutsche Starter noch einen Podiumsplatz einstreichen konnten. Das sind positive Akzente zum Ende des Sommers, gepaart aber auch mit der Erkenntnis, dass die große Show in zahlreichen Disziplinen wieder einmal ohne das Mitwirken nationaler Leichtathleten stattfand. Neu ist das bekanntermaßen nicht, und doch hat sich in diesem Jahr einiges getan in Sachen deutsche Leichtathletik.

Die vier Medaillen des DLV-Teams vor wenigen Wochen bei den Olympischen Spielen sind das, was letztlich zählt. Anhand dessen lässt sich urteilen – oder aber auch anhand jener Medaillen, die nicht gewonnen wurden. Paris war der Moment, der zählt, die Bestandsaufnahme mit Aussagekraft, die Antwort auf die Frage, wo die nationale Leichtathletik vier Jahre bevor man wieder zu den Top-Fünf-Nationen dieser Welt gehören möchte steht. Simpel zusammenfassen lässt es sich so: Es ist kompliziert. Allen voran Kugelstoßerin Ogunleye hat nämlich 2024 sehr wohl dafür gesorgt, dass man Freude daran haben konnte, deutschen Leichtathleten zuzuschauen. Oder aber auch die übrigen Medaillengewinner von Paris. Oder aber beispielsweise Sprinter Owen Ansah, der bei den Deutschen Meisterschaften über die 100 Meter als erster DLV-Athlet der Geschichte die Zehn-Sekunden-Marke zu unterbieten wusste. Eine Laufdisziplin zu nennen ist aber irgendwo auch widersprüchlich. Denn abgesehen von der Frauen-Staffel und den Hindernisläuferinnen um Gesa Krause und Lea Meyer war es besonders der Laufbereich, in dem sich (in Paris) große Enttäuschung breit machte.

Man muss auf Leistungsexplosionen hoffen – wie unlängst von Gina Lückenkemper. Oder aber auf die nächste Generation setzen. Doch um die steht es nicht immer gut, das ist nicht erst seit kurzem bekannt, ist aber in diesem Jahr wieder einmal als Defizit aufgekommen. Es mangelt hierzulande an ausreichender Nachwuchs- und Athletenförderung. Und es bedarf einem Handeln außerhalb von Bürokratie – es sei an die Worte des DLV-Sportvorstands Dr. Jörg Bügner während Olympia erinnert: „Wir schreiben Excel-Tabellen, die anderen trainieren.“

Alexander Dierke

European Championships Munich 2022, Leichtathletik EM, Europa Leichtathletikmeisterschaften München 2022, 12.08-21.08.20

Neue Namen, große Ziele

Köln, 10. September

Liebe Leserinnen und Leser,

die öffentliche Kommunikation des Deutschen Leichtathletik-Verbandes hat sich in den vergangenen Monaten verändert: Dr. Jörg Bügner ist es, der die Geschehnisse rund um den DLV vermehrt kommentiert. Aus gutem Grund wurde der im vergangenen Jahr als Sportdirektor eingestellte Bügner im Vorfeld dieser Saison schließlich zum Sportvorstand befördert. Auch intern läuft die Kommunikation mittlerweile vor allem über ihn, insbesondere die einzelnen Disziplin-Bundestrainer berichten inzwischen direkt an ihn. Er hat somit in gewisser Weise auch jene Rolle inne, die im Vorjahr noch Annett Stein als leitende Chef-Bundestrainerin zugeteilt war – diese wurde bekanntlich in Aufarbeitung des WM-Debakels von Budapest geschasst. Kurzum kann man sagen: Der Verband stellt sich neu auf, versucht mit Strukturreformen der Krise der letzten Jahre entgegenzuwirken. Der nächste Schritt wurde nun auf der Mitgliederversammlung getätigt, das Präsidium weicht fortan einem Aufsichtsrat – und damit geht auch der bisherige Präsident Jürgen Kessing. Vorzeitig, auf eigenen Wunsch hin. Sein Nachfolger, der die Stelle als Aufsichtsrat bekleiden wird, heißt Jochen Schweitzer. Kein Unbekannter, ist er seit Kessings Amtsantritt im Jahr 2017 bereits als Vize-Präsident tätig gewesen. Und doch kommt mit ihm frischer Wind auf. Das tut, ohne Kessing schmälern zu wollen, dem Verband gut. Es sei zudem in den Raum geworfen, ob ein ähnlicher Schritt nicht auch für den Posten des Vorstandsvorsitzenden sinnvoll wäre. Neue Namen können schlicht auch neue Impulse setzen – und solche haben der DLV und die nationale Leichtathletik bitternötig. Schließlich soll bis zu den nächsten Olympischen Spielen der Abstand zur Weltspitze verringert werden. Ein Handeln ist gefragt, vor allem auch, was die Themen Athletenförderung und Talentgewinnung anbelangt.

 

Alexander Dierke

 

Olympische Spiele (Leichtathletik); Paris, 06.08.2024 Malaika Mihambo (LG Kurpfalz / GER), Finale, Weitsprung, long jump

Einmalige Spiele

Köln, 27. August

Liebe Leserinnen und Leser,
nach den Olympischen ist vor den Paralympischen Spielen. Ab dem 30. August kämpfen auch die Para-Athleten in Paris um die Medaillen – und das deutsche Team um Weitsprung-Ausnahmekönner Markus Rehm ist durchaus gut aufgestellt. Die Kandidaten, die neben dem Leverkusener die größten Chancen auf Edelmetall besitzen, stellen wir Ihnen in unserer Vorschau auf den Seiten 8–9 vor. Für die (deutschen) Olympia-Starter ist hingegen inzwischen bereits wieder Alltag eingekehrt. Die Freiluft-Saison trudelt dem Ende entgegen, bietet aber vorher noch ein paar Highlights: In der Diamond League fallen die letzten Entscheidungen, und mit dem ISTAF geht noch ein echter Klassiker über die Bühne. Apropos Diamond League: Bei den zurückliegenden Meetings in Lausanne und Chorzów haben die weltbesten Athleten bewiesen, dass ihr Hunger auf Erfolg auch nach den Spielen nicht gestillt ist, zwei Weltrekorde inklusive. Apropos ISTAF: In Berlin wird Deutschlands erfolgreichste Hürdensprinterin vergangener Jahre, Carolina Krafzik, den letzten Wettkampf ihrer Karriere bestreiten – was sie zum Aufhören bewegt, lesen Sie ebenfalls in dieser Ausgabe. Wenngleich der Leichtathletik-Alltag wieder Einzug gehalten hat, so gilt es doch, sich noch einmal mit den Geschehnissen in der französischen Hauptstadt zu beschäftigen. Oder aber besser gesagt mit den Erkenntnissen, die das deutsche Abschneiden gebracht hat. Zum einen eine kleine Trendumkehr: Vier Medaillen und 51 Nationenpunkte bedeuteten eine leichte Verbesserung gegenüber den Spielen in Tokio 2021 und vor allem gegenüber dem WM-Debakel 2023. Zum anderen aber hat sich einmal mehr gezeigt, dass man in vielen Disziplinen weit davon entfernt ist, Anschluss an die Weltspitze aufzubauen. Mit dem aktuellen Sportsystem (Förderung etc.) in Deutschland wird sich daran auch bis 2028 nichts ändern!

 

Alexander Dierke