Category : Blog Leichtathletik

Soundtrack EAA Meeting in Tuebingen 22 06 2019 Helfer versuchen die Wassermassen zu beseitigen So

„Es ist Sommer …

Köln, 26. Juni 2019

…, egal ob man schwitzt oder friert.“ So lautet die Songzeile einer mittler­weile nicht mehr existierenden Kölner A­ capella-­Band. Und sie trifft wunder­ bar auf das vergangene Wochenende in Deutschland zu. Während mancher­orts schon die ersten Hitzevorboten die bislang heißeste Woche des Jahres einläuteten, herrschte andernorts Welt­untergangsstimmung – leider auch in Tübingen. Dort stand nach sintflut­artigen Regenfällen die gesamte Leicht­athletikanlage unter Wasser, es gab sogar einen Stromausfall. An Hochleistungs­sport war nicht zu denken, der „Sound­track“ wurde schließlich abgesagt. 16 Grad Außentemperatur (zum Vergleich: In Köln wurden parallel 29 Grad gemes­sen) waren da noch das geringste Pro­blem. Auch unser Leichtathletik­-Autor Ewald Walker, der vor Ort war, sprach davon, so etwas noch nicht miterlebt zu haben. Besonders bitter ist, dass der „Soundtrack“ das Zeug zum absoluten Vorzeige­-Meeting hat. Der Etat kann sich mehr als sehen lassen (nicht umsonst war die nationale und internationale Elite – unter anderem Hochsprungstar Mariya Lasitskene – nach Tübingen ge­reist), das Fernsehen hätte berichtet, die Zuschauer vor Ort wären mit sportlichen Topleistungen versorgt und auch musi­kalisch unterhalten worden. Die Absage tut also besonders weh.

Im Lied der ehemaligen Kölner Band heißt es ein paar Zeilen später: „Sommer ist, wenn man trotzdem lacht.“ Das ist wohl das Motto der Stunde, meint

Daniel Becker

ATHLETICS-QAT-IAAF-DIAMOND

Was ist eigentlich mit…?

Köln, 18. Juni 2019

Haben Sie schon einmal von dem Begriff „Whataboutism“ gehört? Falls nicht, sei er hier kurz erklärt: Er bezeichnet eine Gesprächstechnik, die von Kritik an der eigenen Sache ablenken und auf Missstände auf Seiten des Kritikers hinweisen soll. Als Beispiel eine Aussage, die der eine oder andere vielleicht aus den eigenen vier (Kinderzimmer-)Wänden kennt: „Warum soll ich mein Zimmer aufräumen, wenn mein Bruder seine Hausaufgaben noch nicht gemacht hat?“ Beide Dinge haben so gar nichts miteinander zu tun, doch manchmal funktioniert es, auf diese Weise den Gerechtigkeits- sinn der Entscheider – in diesem Fall der Eltern – anzusprechen und in der Folge glimpflich davonzukommen.

Mal sehen, wie es beim aktuellen „Whataboutism“-Beispiel der Leichtathletik läuft: Die IAAF solle sich lieber um Dopingsünder kümmern, als sich mit der Sache der hyperandrogynen Athleten zu beschäftigen, hat Caster Semenya in der vergangenen Woche gesagt. Semenya ist aktuell die weltweit am meisten beachtete Athletin unserer Sportart, und egal, ob man es in der Sache nun mit ihr hält oder nicht: Der Druck, den die Südafrikanerin in den letzten Wochen, Monaten und, ja, Jahren, aushalten muss(te) ist so hoch, dass niemand mit ihr tauschen möchte. Und so kann man ihr ihren ganz persönlichen Fall von „Whataboutism“ auch schnell verzeihen. Nicht jedoch ohne zu betonen, dass die dringende Klärung unterschiedlicher Sachverhalte nicht gegeneinander aufgewogen werden sollte, meint

Daniel Becker

ATHLETICS-SUI-DIAMOND

Echte Emotionen

Köln, 12. Juni 2019

Es ist kein Geheimnis, dass Mariya Lasitskene eine Athletin ist, die – vorsichtig ausgedrückt – nicht zu großen Gefühlsausbrüchen neigt. Selbst nach erfolgreich absolvierten Zwei-Meter- Sprüngen kann man aus ihrem Gesicht nur selten emotionale Regungen ablesen. Über eine Sache aber ärgert sich Lasitskene schon seit Längerem. Dass nämlich nach Siegen bei internationalen Großereignissen für die unter dem Etikett „neutrale Athletin“ startende Russin nicht die Nationalhymne ihres Heimatlandes gespielt werden darf. Wer die EM-Siegerehrung auf dem Breitscheidplatz im vergangenen Jahr beobachten durfte, konnte sich davon aus nächster Nähe überzeugen. Vielleicht hat auch der Gedanke daran, dass ihr Gleiches bei der Wüsten-WM in Katar wieder blühen dürfte, die Hochspringerin dazu veranlasst, sich kritisch in Richtung der russischen Leichtathletik- Verantwortlichen zu äußern. Denn der Russland-Bann der IAAF hält, auch das eine Erkenntnis der vergangenen Tage, weiter an – und Lasitskene wird es langsam zu viel. Am Wochenende forderte sie den Rücktritt ihres Verbandschefs und aller Trainer in ihrem Heimatland, die den Kampf gegen Doping nicht an- nehmen (mehr dazu auf Seite 8). Die sportpolitischen Bemühungen, Russland wieder unter fairen Bedingungen in die Leichtathletik-Familie zu integrieren, tragen bislang kaum Früchte. Die Äußerungen der erfolgreichsten russischen Leichtathletin könnten die Emotionen jedoch in Wallung bringen, meint

Daniel Becker

IAAF Diamond League - Doha 2019

Korrekturschleife

Köln, 5. Juni 2019

Nun also doch wieder eine Wendung im Fall Semenya. Das Schweizerische Bundesgericht hat die vor Kurzem eingeführte Regel des Leichtathletik- Weltverbands, Hormonwerte zu regulieren, außer Kraft gesetzt (mehr dazu auf S. 3). Semenya dankte dem Gericht in einer ersten Stellungnahme: „Ich hoffe, dass ich nach meinem Einspruch wieder in der Lage sein werde, frei zu laufen“, sagte die mehrfache Weltmeisterin und Olympiasiegerin über 800 Meter. Das dürfte allerdings alles andere als einfach werden. Denn abgeschlossen ist der Fall mit dem neuen Gerichtsbeschluss noch längst nicht. Das IAAF-Reglement sei „vorerst“ nicht im Fall Semenya anzuwenden, erklärte ein Gerichtssprecher. Der Rest bleibt offen. Die „superprovisorische“ Anordnung, die hier zum Tragen kam, steht im schweizer Juristensprech für eine Verfügung, die ohne Anhörung der Gegenseite wirksam wird. Die IAAF muss sich nun bis zum 25. Juni äußern. Im Vorfeld des CAS-Urteils vor einigen Wochen hatte der Weltverband angekündigt, die Entscheidung des Sportgerichtshofes zu akzeptieren – egal, wie sie aus- fallen würde. Man darf gespannt sein, wie Coe und Co. nach der neuerlichen Wendung reagieren. Sicher dürfte sein, dass beide Seiten den Fall bis zu den Weltmeisterschaften in Doha gerne endgültig geklärt haben möchten. Gut möglich aber, dass das Bundesgerichts- Urteil nicht die letzte Wendung in der Causa Semenya war, meint

Daniel Becker

Shanghai - 2019 Diamond League

Unglaubliches Niveau

Köln, 22. Mai 2019

Die Sommersaison ist gerade einmal zwei Diamond-League-Meetings und ein paar Regionalveranstaltungen alt, doch schon jetzt lässt sich feststellen, dass in diesem Jahr alles anders ist als im Vorjahr.

2018 war ein Jahr ohne Weltmeisterschaften und ohne Olympische Spiele. Vielen Protagonisten aus Übersee, die eben nicht die Möglichkeit hatten, auf die Europameisterschaften in Berlin zu schielen, merkte man das auch an. Nun, im Mai 2019, scheint es manchen gar nicht schnell genug gehen zu können, sich mit Topleistungen im Rampenlicht zurückzumelden. Über 100 und 200 Meter blieben mit Noah Lyles und Christian Coleman in Shanghai zwei Athleten schon deutlich unter 9,9 Sekunden. Ähnlich ist die Situation über 200 Meter. Über die 400 Meter laufen die Pro- tagonisten auf so hohem Niveau, dass Jan Kowalski, Direktor des Diamond-League- Meetings in Stockholm, offen davon spricht, dass beim Meeting am 30. Mai der Fabelweltrekord von Wayde van Niekerk (43,03 sec) fallen könnte. Im Fokus dort steht vor allem Shootingstar Michael Norman. Auch Diskuswerfer und Kugelstoßer lassen längst die Muskeln spielen.

Und die deutschen Athleten? Sind zu einem großen Teil noch nicht eingestiegen. Die Saison ist lang, und während anderswo schon gelaufen, geworfen und gesprungen wird, was das Zeug hält, halten viele hierzulande ihre Körner noch beisammen. Dennoch: Wer auf eine WM-Medaille im Oktober schielt, der wird die aktuelle Entwicklung wahrscheinlich mit hochgezogenen Augenbrauen verfolgen, meint

Daniel Becker

2018 Spitzen Leichtathletik Lucern Athletics Jul 9th

Schwierige Planung

Köln, 14. Mai 2019

Am Samstag ist es so weit – mit den Speerwerfern starten die deutschen Vorzeige- Leichtathleten beim Meeting der Diamond League in Schanghai in den WM-Sommer. Olympiasieger und Europameister Thomas Röhler, Weltmeister Johannes Vetter und der EM-Zweite und amtierende Deutsche Meister Andreas Hofmann, sie alle sind in China am Start und treffen dort auf ein Feld internationaler Topathleten, die genauso (mit Ausnahme der zwei chinesischen Starter) auch glatt im WM-Finale im Oktober um den Titel kämpfen können. Klingt, als würde uns das ersten Highlight der technischen Disziplinen in diesem Jahr bevorstehen. Alles gut also? Fast.

Ein Problem gibt es da nämlich, und das macht vor allem Sorge, weil es von einem artikuliert wird, der schon mehrfach bewiesen hat, Athleten auf den Punkt fit machen zu können – von Speerwurf-Bundestrainer Boris Obergföll. Der Zeitpunkt der WM sei „sehr ungünstig gewählt“, sagt der im Gespräch mit Leichtathletik (mehr auf den Seiten 6 und 7) und denkt dabei natürlich auch an die kurze Zeit später stattfindenden Olympischen Spiele und damit an eine weitere schwierige Vorbereitung. Die Speerwerfer sind im Vergleich zu anderen Leichtathleten das ganze Jahr über viel im Einsatz. Die Angst vor Abnutzungserscheinungen in diesem langen WM-Sommer scheint real zu sein. Hoffen wir für die deutsche Leichtathletik, dass der Bundestrainer im Zusammenspiel mit den Heimtrainern einen Weg findet. Bisher hat auch das in keiner deutschen Disziplin so gut funktioniert wie im Speerwurf, meint

Daniel Becker

IAAF Diamond League - Doha 2019

Verheerendes Urteil

Köln, 9. Mai 2019

Es ist fast genau ein Jahr her, in Ausgabe 18/2018, da hieß es an dieser Stelle: „‚Falscher‘ gibt es nicht“. Damals hatte der Weltverband die sogenannte Testosteron- Regel eingeführt, gegen die die südafrikanische Läuferin Caster Semenya im Anschluss Einspruch eingelegt hatte. Und im Editorial stand geschrieben, dass jede Lösung des Problems unzureichend ist – eine bestimmte Lösung aber undenkbar sein sollte. Die nämlich, hyperandrogene Athletinnen dazu zu zwingen, sich einer hormonellen Behandlung zu unterziehen – wenn sie denn weiter, wie im Falle Semenyas, über ihre bisherige Strecke an den Start gehen wollen. Genau dazu ist es jetzt aber gekommen. Die Reaktionen sind vielfältig, auffällig ist aber, dass sich viele Sportler bedeckt halten. Man kann sich jedoch vorstellen, dass es nur wenige direkte Konkurrentinnen von Semenya geben wird, die über die Entscheidung unglücklich sind. Und man kann das auch nachvollziehen. Ebenso, wie man die Kritik von Balian Buschbaum und anderen verstehen kann, die die Situation Semenyas mit der anderer Athleten vergleichen, die aufgrund körperlicher Vorteile ihren Sport dominierten (Seite 3). Den Kern des Problems treffen aber beide Standpunkte nicht. Der ist nämlich, dass Sportlerinnen wie Semenya nun dazu gezwungen werden (wenn sie denn die Ausweichmöglichkeiten nicht wahrnehmen wollen), negatives Doping zu betreiben. Das war vor einem Jahr der Hauptgrund, die IAAF-Entscheidung zu kritisieren, und ist es auch heute noch in Bezug auf das CAS-Urteil, meint

Daniel Becker

2018 Athletics Diamond League Muller Grand Prix Aug 18th

Breit gefächert

Köln, 02. Mai 2019

Jedes Jahr stellen sich zum Saisonstart dieselben Fragen. Eine davon ist immer: Welche Athleten können im kommenden Sommer einen großen Satz nach vorne machen? Aus deutscher Sicht kommen Jahr für Jahr viele Sportler dafür infrage, ein neues sportliches Level zu erreichen und sich in der absoluten Spitze zu etablieren – sei es auf nationaler oder auf internationaler Ebene. In unserer Titelgeschichte haben wir die zehn aus unserer Sicht aussichtsreichsten Kandidaten unter die Lupe genommen, ihre jüngsten Entwicklungen berücksichtigt, mit Trainern gesprochen und daraufhin die Prognose gewagt, dass diese Zehn unsere „Athletes to watch“ sind. Die Voraussetzungen sind dabei längst nicht bei allen Sportlern gleich. Athleten wie Speerwerfer Julian Weber oder Hürdensprinter Gregor Traber gehören schon seit Längerem zur (erweiterten) Weltspitze und hoffen nun darauf, den entscheidenden Schritt weiter gehen zu können und – wie Weber – aus einem deutschen Weltklasse-Trio ein Weltklasse-Quartett zu machen oder – wie Traber – endlich in ein ganz großes Finale zu laufen. Andere, wie die Sprinterin Lisa-Marie Kwayie, stehen noch am Anfang ihrer Karriere und wollen die Etablierten auf nationaler Ebene das Fürchten lehren.

Es ist die Unterschiedlichkeit, die das Beobachten der Entwicklung einzelner Sportler so spannend macht. Sie zeigt auch, wie breit gefächert unsere Sport- art ist. Und dass es sich immer lohnt, genau hinzuschauen, meint

Daniel Becker

61st Mt. SAC Relays

Historischer Auftakt

Köln, 24. April 2019

Es ist nichts dazu bekannt, dass Deutschlands Top-Kugelstoßer David Storl und der südafrikanische 400-Meter-Weltrekordler Wayde van Niekerk besonders viele Berührungspunkte miteinander hätten. Am vergangenen Wochenende werden beide aber womöglich zur selben Zeit einmal tief durchgeatmet haben – als sie erfuhren, dass sich US-amerikanischen Bundesstaat Kalifornien innerhalb einer Stunde an zwei unterschiedlichen Orten Historisches abgespielt hat. 400-Meter- Läufer Michael Norman und Kugelstoßer Ryan Crouser zeigten beide den jeweils besten Saisoneinstieg in der Geschichte ihrer Disziplin und schickten damit zwei dicke Ausrufezeichen in Richtung ihrer Konkurrenten auf der ganzen Welt – zu denen eben auch Wayde van Niekerk und David Storl gehören.

Das Jahr 2018 war in Ermangelung eines Großereignisses für viele Athleten aus Übersee ein Übergangsjahr. Mit den Leistungen von Michael Norman und Ryan Crouser deutet sich nun an, dass es 2019 wieder deutlich ernster zur Sache gehen wird. Ihre Leistungen riefen sie rund eine Woche vor dem Start in die Diamond- League-Saison ab. Die wiederum – das können Sie in unserer Titelstory lesen – sucht auch im zehnten Jahr ihres Bestehens weiter nach der gewünschten Akzeptanz in der Sportwelt. Am 3. Mai geht es in Doha los. Leistungen wie die von Norman und Crouser könnten dabei helfen, die so sehr gewünschte weltweite Aufmerksamkeit zu erlangen, meint

Daniel Becker

European Indoor Athletics Championships - Day 3

Gewinn – für alle?

Köln, 17. April 2019

Mitte letzter Woche hat eine Schweizer Firma, die im Auftrag des Europäischen Leichtathletik-Verbandes EAA tätig war, eine ökonomische Studie veröffentlicht, die sich mit den Folgen der im vergangenen August in Berlin ausgetragenen Leichtathletik-Europameisterschaften beschäftigt hat. Kurz zusammengefasst: Die Austragung hat sich aus wirtschaftlicher Sicht auf der ganzen Linie gelohnt. Es gab mehr Jobs, mehr Touristen, mehr Steuereinnahmen. Oder anders ausgedrückt: mehr Geld. Das ist – ohne Frage – eine sehr erfreuliche Nachricht und ein klares Zeichen dafür, dass die Austragung von sportlichen Großereignissen nicht mit einer kompletten Neustrukturierung der örtlichen Infrastruktur oder dem Neubau zahlreicher Sportstätten zusammenhängen muss. Olympia in Rio oder die Fußball-Weltmeisterschaften in Südafrika und Brasilien lassen grüßen.

Die Studie fällt zeitlich zusammen mit der Aufforderung vieler Athleten, an den Umsätzen der Verbände, die auch diese rund um Großveranstaltungen machen, beteiligt zu werden. In Sachen Ausrichtung von Großereignissen ist Deutschland – das wissen wir nicht erst seit der EAA- Studie – schon Vorreiter. Warum aber ist Deutschland nicht längst auch Vorbild darin, diejenigen an den wirtschaftlichen Erfolgen zu beteiligen, die maßgeblich dazu beitragen – die Athleten? Dieser Schritt muss in Zukunft unternommen werden, sonst steigt bei den Sportlern auch bei eigentlich positiven Nachrichten am Ende das Frustlevel, meint

Daniel Becker