Category : Blog Leichtathletik

Gegenreaktion

Gegenreaktion

Köln, 20.06.2017

Wo immer man bei der U23-DM in Leverkusen auch hinhörte, war natürlich auch der geplante Umbau des Berliner Olympiastadions ein großes Thema.

Und dabei kam – völlig zu Recht – die „Monokultur Fußball“ überhaupt nicht gut weg. Doch die Veranstaltung auf der Leverkusener Fritz-Jacobi- Anlage hat auch wieder gezeigt, wo in der Leichtathletik Nachholbedarf besteht. Zwei Tage Leidenschaft, Titelkämpfe und die Jagd nach Weiten, Zeiten und Höhen bei besten äußeren Bedingungen sind so attraktiv, dass es fahrlässig ist, Veranstaltungen wie die U23-DM nicht viel offensiver zu bewerben – gerade, wenn ein so herber Rückschlag wie der Umbau des Olympiastadions droht. Die Gegenreaktion darf nicht nur Kritik am Fußball sein.

Begeistert von der Veranstaltung in Leverkusen war auch mein Nachbar, der gemeinsam mit seinem Sohn den kurzen Weg auf die andere Rheinseite auf sich genommen hat.

Mitbekommen hatte er, bevor wir uns unterhalten haben, nichts davon, dass einer der Höhepunkte des deutschen Leichtathletikjahres quasi vor seiner Haustür stattfand. Sein Sohn möchte nach dem Erlebnis U23-DM nun zum Stabhochsprungtraining. Die Leichtathletik kann nach wie vor überzeugen. Sie muss sich aber endlich offensiver in Szene setzen, meint

Daniel Becker

Leverkusenerin

Sommerpause

Köln, 6. Juni 2017

So langsam gehen einem in Bezug auf Konstanze Klosterhalfen die Super­lative aus.

Seit dem Wochenende ist die 20 Jahre alte Leverkusenerin die erste deut­sche Athletin, die die 800 Meter un­ter zwei Minuten und die 5.000 Meter unter 15 Minuten gelaufen ist. Doch wer erfährt davon? Außer denen, die ohnehin gezielt nach Leichtathletik­ Meldungen suchen, wohl kaum je­mand. Selbst in der Sommerpause der Fußball­-Bundesliga hat es die Meldung von Klosterhalfens Ausnah­me­Leistung nur in die wenigstens News­-Spalten der Tageszeitungen und Online­-Nachrichten geschafft.

Es ist nichts Neues, dass gute Leis­tungen größere Chancen haben, einer breiteren Masse bekannt zu werden, wenn sie von extrovertier­ten Sportlern erbracht werden. Denn um neue Fans für eine Sportart zu begeistern, braucht es in der Gegen­wart eben auch ein bisschen Theater. Fragen Sie mal bei den Veranstaltern von „Berlin fliegt“ oder den „Außen­-Wettkämpfen“ der Deutschen Meis­terschaften nach.

Und dennoch darf nicht verloren gehen, wenn eine junge Athletin, die beinahe alles in ihrem jungen Leben dem Sport unterordnet, Außergewöhn­liches leistet. Erst recht, wenn König Fußball gerade Pause macht, meint

Daniel Becker

Keine einfache Lösung

Keine einfache Lösung

Köln, 30. Mai 2017

Macher und Athleten bei der LG Telis Finanz Regensburg sind bekannt dafür, den Finger gerne mal in die offene Leichtathletik-Wunde zu legen. Das ist gut, bringt Diskussionen voran – gerade wenn der Anstoß von der Basis der Leichtathletik, den Vereinen, kommt.

Am Wochenende veröffentlichten die Regensburger auf ihrer Homepage erneut einen kleinen Beitrag mit der Leitfrage: Wieso schauen sich immer weniger Leute Leichtathletik-Meetings an? Die Antwort des Textes, kurz zusammengefasst, sieht so aus: Es geht zu wenig um den Wettkampf zwischen den Athletinnen und Athleten untereinander, sondern viel zu sehr um die Jagd nach Normen.

Die Diskussion, ob eine echte Kausalität zwischen Normenjagd und Zuschauerschwund besteht, ist eine interessante – und eine ergebnisoffene. Als Beispiel dafür, wie es gehen kann, könnte man sehr wahrscheinlich das Mehrkampf-Meeting in Götzis nennen. Denn das vergangene Wochenende hat dem Zuschauer tatsächlich mal wieder die selten zu findende Mischung aus direktem Wettstreit um den Sieg bei einem prestigeträchtigen Meeting und dem Austesten der eigenen (Punkte-)Grenzen gezeigt. Die Mischung macht’s im Vorarlberg. Nirgendwo sonst zeigt sich die Leichtathletik so vielseitig (Mehrkampf eben), und kaum woanders ist das Panorama so traumhaft schön wie in Götzis. Wer die Fernsehbilder gesehen hat, dem ist aber nicht entgangen, dass auch ein volles Mösle-Stadion keine Fußball-Atmosphäre erzeugen kann, meint

Daniel Becker

Jünne künne

Jünne künne

Köln, 23. Mai 2017

Der 1. FC Köln ist nach 25 Jahren Abstinenz wieder im europäischen Fußball angekommen.

Wieso ein Leichtathletik-Editorial mit Kölner Fußball beginnen? Weil sich der Fußball derzeit anschickt, den Planungen für große Leichtathletik-Events einen Strich durch die Rechnung zu machen. Und weil es ein Kölner Sprichwort gibt, das man auch in Berlin beherzigen sollte.

Dort haben Senat und der Fußballclub Hertha BSC Pläne in der Schublade, die aus dem Berliner Olympiastadion eine reine Fußballarena machen sollen. Der DLV reagierte schon mit harscher Kritik, auch die ersten Athleten meldeten sich zu Wort. Und das aus gutem Grund. Denn für die Leichtathletik wäre der Umbau ein fatales Signal, das ISTAF in berlin und weitere mögliche große Events wären damit gestorben, ein Schatten läge über den Heim-Europameisterschaften im kommenden Jahr. Nicht zu sprechen von der ungeheuer großen historischen Dimension, einem Stadion, das die Leichtathletik in der Vergangenheit geprägt hat wie nur wenige andere Stadien auf der Welt, seine Laufbahn zu nehmen.

In Köln sagt man: „Mer muss och jünne künne“ („Man muss auch gönnen können“). Wenn sich eine Sportart das aufgrund ihres Status im Land erlauben könnte, dann der Fußball, meint

Daniel Becker

Abschied mit Folgen?

Abschied mit Folgen?

Köln, 16. Mai 2017

Fragen Sie mal Nicht-Leichtathleten, woran sie denken, wenn sie das Wort „Wiesbaden“ hören. Die häufigsten Antworten werden sein: Landeshauptstadt Hessens oder Hauptsitz des Bundeskriminalamtes. Bei uns Leichtathletik-Fans ist das anders, wir sehen instinktiv Diskusscheiben an unserem geistigen Auge vorbeifliegen und denken an den WLV-Werfercup.

Doch diese Zeiten sind nun vorbei – die 22. Auflage des Meetings am Wochenende war die letzte. Direkt im Anschluss an die Wettkämpfe haben sich die jahrelangen Organisatoren Peter und Ute Schulte aus Altersgründen verabschiedet.

Das Aus des WLV-Werfercup ist ein herber Verlust für die deutsche Leichtathletik-Szene, man wird ihn im Kalender nicht 1:1 ersetzen können, seinen familiären Touch und die Herzlichkeit vermissen, die über viele Jahre Top-Werfer nach Hessen gezogen haben. Doch man muss den frei gewordenen Sport am besten direkt sinnvoll neu besetzen. Ein richtiger Ansatz könnte dabei auch ein innovativer Testballon sein, ein durchdachter Versuch, die Leichtathletik für neue Fans interessant zu machen. Sondermeetings wie „Berlin fliegt“ sind ein guter Anfang, aber lange nicht genug. Und auch die bestehenden Meetings müssen mit der Zeit gehen, ihre Events moderner präsentieren. Damit wir Pliezhausen, Rehlingen, Garbsen & Co. demnächst weiter auf Anhieb mit tollen Leichtathletik-Festen verbinden. Damit sich Nachfolger finden, wenn alte Protagonisten abtreten. Damit wir nicht wieder plötzlich Abschied nehmen müssen, meint

Daniel Becker

Fünf Brüder

Fünf Brüder

Köln, 02. Mai 2017

Roleder gegen Dutkiewicz über 100 Meter Hürden, Lückenkemper gegen Mayer und Haase über 200 Meter, das Gerangel um die WM-Plätze der deutschen Speerwurf-Männer – die Freiluft-Saison wird einige spannende Wettkämpfe für die Leichtathletik-Fans bereithalten. Ein Duell wird jedoch auch 2017 wieder besonders im Fokus stehen.

Das Harting-Jahr 2016 sah so aus: Bei der DM in Kassel hatte es den Schlagabtausch der Diskus-Brüder gegeben, mit dem besseren Ende für Robert, der damit das Ticket für Rio löste. Dort wurde Harting der Ältere Opfer eines Hexenschusses. Bruder Christoph machte schließlich im Finale im letzten Versuch den Olympiasieg perfekt. Die Geschichte war so groß, dass dabei die Bronzemedaille von Daniel Jasinski beinahe unterging.

In diesem Jahr darf jeder Harting-Fan erneut hoffen, dass es zum großen Aufeinandertreffen der Brüder kommt, am liebsten natürlich im WM-Finale von London. „Da wir im Moment in Deutschland eine so ungeheure Dichte im Bereich von 66 Metern haben, zu der ich mich im Moment auch zählen muss, ist das mit der Nominierung für die WM so eine Sache“, weiß allerdings auch Robert Harting. Er, Bruder Christoph, Daniel Jasinski, Markus Münch und Martin Wierig haben die angesprochene Marke 2016 geknackt.

Auch in diesem Sommer werfen wieder mehr als eine Handvoll starker Athleten um die Qualifikation für das nächste Großereignis. Aufmerksamkeit haben alle verdient, meint

Daniel Becker

Bemerkenswert

Bemerkenswert

Köln, 26. April

Da haben die DLV-Sprintdamen am Wochenende aber einen rausgehauen.

Deutschland gewinnt Gold in der 4 x 100-Meter-Sprintstaffel bei den World-Relays. Das hat es so noch nicht gegeben. So wurde der silberne Platz auf dem Podium vom Vortag über die 4 x 200 Meter sogar noch getoppt. Das war so nicht zu erwarten, zumal unsere Staffel nicht in Bestbesetzung antreten konnte und auf Gina Lückenkemper verzichten musste. Dies zeigt, wie breit unser Sprintkader aufgestellt ist, absolut positiv und bemerkenswert.

Natürlich könnte man jetzt den Ausrutscher der Amerikanerinnen in den Vordergrund rücken und hier die Ursache für den Gewinn des goldenen Edelmetalls finden. Das wäre jedoch zu einfach und nicht einmal fair. Denn die deutschen Damen sind seit ein paar Jahren auf einem guten Weg in die Weltspitze. Die Hoffnungen, die in sie gesetzt wurden, konnten sie nun bestätigen. Dass die deutschen Herren sich mit ihrem siebten Platz auch für die WM in London qualifizieren konnten, rundet das gelungene Relay-Wochenende ab.

Bemerkenswert war am letzten Wochenende auch der Marathonsieg der Kenianerin Mary Keitany. 2:17:01 h in einem reinen Frauenrennen. Das wäre ein Weltrekord, wären da nicht die Statuten des IAAF und ein gescheiterter Versuch, diese abzuändern. Aber eins muss man den Damen und Herren des Weltverbandes lassen, kreativ sind sie. Für Keitany wurde das Etikett „Women’s only“–Marathon ausgegeben. Kann man machen, meint

Ralf Kerkeling

Echt was wert!

Echt was wert!

Köln, 11. April 2017

Am Wochenende gab es Erfreuliches zu beobachten. In Hannover fanden der City- Marathon und die Deutschen Meisterschaften im Halbmarathon statt – und das Interesse an der Veranstaltung war groß. Mit Sabrina Mockenhaupt und Arne Gabius waren in Hannover zwei echte Zugpferde am Start. Gabius und Mockenhaupt sind, obwohl beide schon 36 Jahre alt, noch immer die beiden größten Namen in der deutschen Laufszene.

Die überregional starke Rezeption hat gezeigt: Die Leichtathletik braucht dringend große Namen. Dass dieser Umstand am Wochenende anhand eines Laufevents deutlich wurde, hat in der aktuellen Diskussion um Spitzensportförderung einen säuerlichen Beigeschmack.

Große Läufer sprießen nicht einfach so aus der Erde. Sie müssen durch gute und schlechte Zeiten begleitet werden. Gerade im Laufbereich steht genau das jedoch auf dem Spiel.

Arne Gabius und Sabrina Mockenhaupt waren auf der Bahn auch zu ihren besten Zeiten ebenso weit davon entfernt, olympische oder WM-Medaillen zu gewinnen, wie aktuell Florian Orth, Timo Benitz und andere. Dass sie weiterhin Werbung für den Laufsport, für die gesamte Leichtathletik betreiben können, hat das Wochenende gezeigt – und sollte denen zu denken geben, die die aktuelle Läufergeneration nicht mehr für unterstützenswert erachten – jene Generation, die einmal in die Fußstapfen von Arne Gabius und Sabrina Mockenhaupt treten könnte, meint

Daniel Becker

Sportliche Vielfalt

Sportliche Vielfalt

Köln, 04. April 2017

Von Nicht-Fußballern wird ja gerne und viel über die Rolle des Fußballs in der nationalen Sportlandschaft geschimpft. Und ihr Ärger ist verständlich.

Doch der Weg zu mehr sportlicher Vielfalt – im TV und im gesellschaftlichen Diskurs – kann nicht nur darüber führen, gegen den Fußball zu wettern. Vielmehr sollte im Fokus stehen, die eigene Außendarstellung zu verbessern. Die Leichtathletik gibt sich aktuell dabei viel Mühe, braucht aber auch Hilfe von außen.

Die hat sie – der ein oder andere mag es kaum glauben – am Wochenende ausgerechnet von einem Fußballtrainer erhalten. Norbert Meier, Übungsleiter des Bundesliga-Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern, war zusammen mit Deutschlands bester Hindernisläuferin Gesa Felicitas Krause zu Gast bei „SWR Sport“ im Südwestrundfunk. Er brach, als er über Fußball hätte sprechen können, stattdessen eine Lanze für Einzelsportarten wie die Leichtathletik, zeigte sich beeindruckt von den Entbehrungen, die die anwesende Krause für den sportlichen Erfolg in Kauf nimmt, und ärgerte sich darüber, dass es immer nur um Medaillen gehe und „vierte Plätze bei Olympia nichts zählen“.

Ganz sicher hat der Fußballtrainer Norbert Meier klare Präferenzen, wenn es um das Thema „Lieblingssportart“ geht. Schön, dass ihn das nicht daran gehindert hat, trotzdem für sportliche Vielfalt zu werben, meint

Daniel Becker

Ein guter Tag

Ein guter Tag

Köln, 28. März 2017

Der 3. April wird ein guter Tag für die Leichtathletik werden. Dann nämlich veröffentlicht der Naturwissenschaftler Simon Krivec seine Dissertation, in der er sich mit Doping in der Bundesrepublik zur Zeit der deutschen Zweistaatlichkeit beschäftigt hat.

Wichtige Informationen sind schon jetzt bekannt: 31 ehemalige DLV-Athleten haben zugegeben, unerlaubte Mittel zur Leistungssteigerung zu sich genommen zu haben. Fünf davon haben die Nennung ihres Namens freigegeben. Dass sich die Wissenschaft intensiv um Aufklärung bemüht, ist ebenso wichtig wie ein glaubwürdiger Anti-Doping-Kampf von Seiten der Medien, der Verbände und der Sportler selber. Nur wenn der Kampf auf allen Ebenen geführt wird, kann man an Erfolg überhaupt nur denken.

Beachtlich ist, dass es die Arbeit von Krivec, dessen Vater selber einmal Leichtathlet war, ohne das Zutun ehemaliger Athleten überhaupt nicht gegeben hätte. Die Russin Yulia Stepanova hat es scheinbar vorgemacht, nun hat Deutschland seine eigenen Leichtathletik-Whistleblower. Sie werden zum Glück und aus vielen Gründen nicht mit ähnlichen, teilweise lebensbedrohlichen Konsequenzen zu rechnen haben wie die 800-Meter-Läuferin. Sie haben aber ein ähnlich wichtiges Signal an den Sport der Gegenwart gesendet, meint

Daniel Becker