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Annegret Hilse_imago0007379728h

Foto: Imago Images

Mut zur Schwäche

Köln, 1. September 2020

Liebe Leserinnen, liebe Leser. Als 16-Jähriger stand ich eine Saison lang im Tor meiner Dorfmannschaft. Wir spielten in einer unterklassigen Liga, in welcher sich die Zuschauer vorwiegend aus Kühen der benachbarten Wiese und gelangweilten Eltern zusammensetzten. Trotzdem war ich durch meine neue Aufgabe vor jedem Spiel so nervös, dass ich nicht schlafen konnte.
Ich kann mir nicht ausmalen, wie es sein muss, unter wirklichem Erfolgsdruck zu leiden. Wie es ist, den Atem von Sponsoren, Managern und Social-Media Beratern im Nacken zu spüren. Wenn es nicht um die Unterhaltung von einer Hand voll Eltern und Wiederkäuern am Spielfeldrand geht, sondern um ganze Existenzen. Eine, die sich das ausmalen kann und es selbst erlebt hat, ist Sabrina Mockenhaupt.
Die mittlerweile 39-jährige Ex-Langstreckenläuferin konnte in ihrer Karriere über 40 (!) mal die deutschen Meisterschaften gewinnen. Doch wie eine Gewinnerin fühlte sie sich deswegen trotzdem nicht immer. Permanenter Leistungsdruck und Stress waren ihr ein ständiger Begleiter, psychische Probleme und der jahrelange Griff zu Tabletten die Folge.
Auch Sportlegenden außerhalb der Leichtathletik wie Olympia-Schwimm-Champion Michael Phelps kennen diese Gefühle. „Warum bin ich nicht schon zehn Jahre früher zur Therapie gegangen?“, fragt er sich heute. Die Antwort ist einfach: Er hatte Angst. Angst, nicht mehr als großer Sportler sondern als Mensch mit Schwächen wahrgenommen zu werden. Doch genau das sind wir: Menschen mit Schwächen. Und nur die Größten haben den Mut, diese auch offen zu zeigen. In diesem Sinne,

David Stoll