Tag : Dr. Jörg Bügner

Leichtathletik - Medientag vor den Weltmeisterschaften

Ein erster Schritt

Köln, 26. September

Liebe Leserinnen und Leser,
vier Wochen lang war es äußert still um den DLV, zumindest, was die Kommunikation des Verbandes selbst anbelangte. In der Öffentlichkeit hingegen begann eine breite Diskussion über die Ursachen des schwächsten deutschen WM-Abschneidens der Historie und notwendige Konsequenzen. Am vergangenen Wochenende dann versammelte sich der DLV zu seiner ersten Jahresklausur — mit weitreichenden Folgen: Chef-Bundestrainerin Annett Stein hat ihr Amt nicht mehr länger inne, Dr. Jörg Bügner künftig stattdessen mehr Einfluss. Das ist ein erster unumgänglicher Schritt, wenngleich nicht ohne Risiko, ist der Sportdirektor doch erst seit Anfang des Jahres im Amt, kommt ursprünglich nicht aus der Leichtathletik und betonte zuletzt selbst, er habe noch längst nicht alle notwendigen Einblicke in die Strukturen seines Arbeitgebers.
Und: Ausreichen tun diese Konsequenzen alleine nicht. Denn die Übermacht beim DLV heißt Idriss Gonschinska – der Vorstandsvorsitzende beorderte Stein 2019 zur Cheftrainerin. Ein Posten, dem sie nicht gewachsen war, viel mehr kann ihre Verpflichtung als ein Sinnbild des Untergangs angesehen werden. Über die Hintergründe der damaligen Entscheidung darf durchaus spekuliert werden, die nun abermals notwendigen strukturellen Veränderungen stellen aber auch Gonschinskas Kompetenzen endgültig in Frage. Denn er ist derjenige, der die deutsche Leichtathletik in den vergangenen Jahren geprägt hat, die Entwicklungen im Leistungssport hat in erster Linie er zu verantworten. Für einen kompletten Neuanfang sollte deshalb auch seine Position dringend überdacht werden. Es braucht zeitnah klare Aussagen. Apropos Kommunikation: Die getroffen Maßnahmen findet man auf der Verbandswebsite nur „versteckt“ in einer News-Sektion. Das kann jeder für sich selbst interpretieren.

Alexander Dierke

 

World Athletics Championships Budapest 23; Hungary, 21.08.2023 Budapest, Hungary - August 21: Gina LUECKENKEMPER of GERM

Historisches Desaster

Köln, 29. August

Liebe Leserinnen und Leser,
nun stehen sie also in den Büchern, die Weltmeisterschaften in Budapest. Mit den globalen Titelkämpfen, nur ein Jahr nach der WM in Eugene, waren großen Hoffnungen verbunden. Hoffnungen darauf, dass es für das DLV-Team besser laufen würde als im Vorjahr. Wobei, das ist natürlich nur die halbe Wahrheit: Ein besseres deutsches Abschneiden als 2022 in den USA war nicht wirklich zu erwarten – zu sehr beherrschten Verletzungssorgen die Equipe des nationalen Verbandes, zu groß war bereits im Vorfeld die Erkenntnis, dass die deutschen Athleten gegen die Weltelite (meist) nur noch hinterherlaufen. Hinterherwerfen. Hinterherspringen. Doch es kam noch schlimmer. Null Medaillen. Der Salto Nullo. Die deutsche Leichtathletik hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Ein historisches Desaster, das so nicht einfach hingenommen werden darf. Die einstige Leichtathletik-Nation Deutschland, sie besteht gegen die Weltkonkurrenz nicht mehr. Dieses Bild darf auch nicht durch die zahlreichen Ausfälle oder manch starke Einzelleistung geschönt werden.
Die Ursachen dafür sind unterschiedlich wie vielschichtig. Aber: Das Ziel einer Rückkehr unter die Top Fünf der Nationenwertung bis 2028 scheint nach dieser WM endgültig realitätsfern. Begrenzte Fördermöglichkeiten, fehlende Lukrativität der Sportart sowie Trainingsmöglichkeiten, die etwa mit denen in den USA nicht mithalten können – es ist lediglich ein Teil der Probleme, denen sich nicht nur Leichtathletik- Deutschland, sondern ein Großteil der nationalen Sportwelt derzeit ausgesetzt sieht. Man muss an der Basis ansetzen, und der DLV muss sich von Grund auf hinterfragen. Das gilt auch für die Leistungsbewertungsgrenze, welche immer weiter nach unten zu rücken scheint.

Alexander Dierke

 

Niklas KAUL (Deutschland) enttaeuscht Leichtathletik, Zehnkampf Hochsprung, am 04.08.2021 Olympische Sommerspiele 2020,

Weitsicht gefragt

Köln, 6. Juni

Liebe Leserinnen und Leser,
langsam beginnen diese Wochen in der Leichtathletik, in denen es bei zahlreichen nationalen und internationalen Meetings ernst wird für die Athleten – noch bis Ende Juli haben die Sportler in den meisten Disziplinen Zeit, die WM-Normen zu knacken. Darüber hinaus besteht schon jetzt die Möglichkeit der Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024 in Paris. Für Niklas Kaul ist letzteres in dieser Saison bereits ein festes Ziel, wie er uns vor seinem Zehnkampf-Auftakt in Ratingen erzählt hat. Doch die Qualifikationen für internationale Top-Veranstaltungen sind das eine. Das andere sind letztlich die Leistungen der DLV-Athleten bei eben solchen Meisterschaften. Ein Niklas Kaul ist da aus deutscher Sicht in puncto Konkurrenzfähigkeit gegen die Weltelite eher die Ausnahme.
Etwas, das sich in den vergangenen Jahren durch die deutsche Leichtathletik zog, sind Nachwuchssorgen. Besonders in den Leistungssport stoßen immer weniger Talente von Weltklasse-Format. Ob das etwa an unzureichender Nachwuchsarbeit oder mangelnden Fördermaßnahmen liegt, ist eine der Fragen, die es zu beantworten gilt. Auf die Agenda geschrieben hat sich das Dr. Jörg Bügner. Seit Anfang März ist der Leichtathletik-„Neuling“ als Sportdirektor des DLV aktiv – und überzeugt im Interview mit Leichtathletik gleich mit fachlich guten Ansätzen. Das Ziel einer Rückkehr unter die Top Fünf der Nationenwertung bis 2028 findet Bügner dabei äußerst ambitioniert. Eine Einschätzung, die von Ehrlichkeit zeugt. Der Weg zurück in die Erfolgsspur kann nicht von heute auf morgen geschehen. Gut, dass dies auch der DLV-Sportdirektor weiß.

Alexander Dierke

 

Große Ambitionen

Köln, 21. März

Liebe Leserinnen und Leser,
die WM in Budapest wirft bereits ihre Schatten voraus. Denn nach der beendeten Hallen-Saison setzen die Athleten ihren Fokus fortan auf den Sommer und die Freiluft-Wettkämpfe, die ihren Höhepunkt zweifelsohne mit den globalen Meister- schaften Ende August in Ungarn finden.

Neben ganz individuellen Zielen der Athleten in diesem Jahr geht es auch um eine Bestandsaufnahme der deutschen Leichtathletik. Nach einer langen Leidensphase ist eine „verletzungsfreie Saison“ der große Wunsch von Hochspringerin Christina Honsel, worüber sie mit uns im exklusiven Interview gesprochen hat. Dass bei ihr auch die sportlichen Ambitionen nicht zu kurz kommen, ist ein gutes Zeichen – schließlich strebt der DLV bereits in knapp fünf Monaten eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahres-Desaster in Eugene an.

Der neue „starke“ Mann wurde in Zuge dessen nur zwei Tage nach der Hallen-EM vorgestellt: Dr. Jörg Bügner soll die sportlichen Geschicke beim Verband fortan als Sportdirektor leiten und dabei helfen, den DLV bis zu den Olympischen Spielen 2028 wieder unter die Top Fünf der Nationenwertung zu führen. Sicherlich keine einfache Aufgabe für einen Namen, den für den wiederbelebten Posten wohl so gut wie niemand erwartet hatte. Der große Leichtathletik-Funktionär mit Strahlkraft ist Bügner für den Verband vordergründig nicht. Doch wer weiß, vielleicht kann genau das ja auch zu seiner Stärke werden. Letztendlich geht es für den Sportdirektor vor allem auch darum, den Verband wieder in ruhigere Zeiten zu führen. Ein Umstand, zu dem besonders die Athleten mit guten Leistungen schon in diesem Freiluft-Jahr beitragen können. Sind wir mal gespannt, was die Zukunft so bringt!

 

Alexander Dierke