Tag : Leo Neugebauer

World Athletics Indoor Championships Nanjing, 22.03.2025

Neuer Hoffnungsträger

Köln, 25. März

Liebe Leserinnen und Leser,
erinnern Sie sich noch an den Morgen des 9. Junis 2023? Die Nachrichtenwelt war gefüllt mit der Berichterstattung über den deutschen Rekord eines jungen Zehnkämpfers – weit über die Grenzen des Leichtathletik-Kosmos hinaus! Leo Neugebauer hieß der gute Mann, um den sich alles drehte. Seine von ihm inzwischen längst übertroffenen 8.836 Punkte sorgten für großes Staunen: Schließlich knackte der damals 22-Jährige damit den 39 Jahre alten deutschen Zehnkampfrekord von Jürgen Hingsen. Im folgenden Sommer kämpfte Neugebauer bei der WM um die Medaillen mit, im Vorjahr pulverisierte er auch den deutschen Siebenkampf-Rekord in der Halle, packte auf seine nationale Outdoor-Bestmarke noch einmal 125 Zähler drauf und gewann schließlich olympisches Silber. Doch einen Teil dieser Lorbeeren musste Neugebauer Anfang März wieder abgeben – weil in Apeldoorn plötzlich ein 22-Jähriger im DLV-Team emporstieg, der durchaus an „Leo the German“ erinnert: Till Steinforth. Starten tut der Athlet auf nationaler Ebene für den SV Halle, doch im Prinzip lässt sich seine Leistungsentwicklung ebenfalls mit der Ausbildung in den USA begründen. Steinforth studiert seit 2021 an einer Universität im US-Bundesstaat Nebraska – noch in diesem Jahr wird er dort seinen Bachelor im Fach Architektur machen. Doch vor allem haben ihm die dortigen Gegebenheiten nun sportlich zwei Bronzemedaillen bei internationalen Meisterschaften eingebracht: In Apeldoorn sorgten 6.388 Punkte für die angesprochene „Hallen-Wachablösung“ Neugebauers. Und bei den Hallen-Weltmeisterschaften im chinesischen Nanjing sorgte Steinforth nun für so etwas wie den einzigen echten Lichtblick eines äußerst dezimierten DLV-Teams. Überraschend? Für viele – den Deutschen Leichtathletik-Verband auch?! – möglicherweise, nicht jedoch für den Mehrkämpfer selbst. Er wusste schon länger, welches Potenzial in ihm schlummert und hat seine Saisonziele nun im Prinzip bereits übertroffen: Die Erzielung eines deutschen Rekords und den Gewinn internationalen Edelmetalls. Ist es „bloß“ die reine sportliche Ausbildung in den USA oder auch der Glaube an sich selbst, der so stark macht? In jedem Fall zeigt nach Leo Neugebauer nun der nächste deutsche US-Mehrkämpfer, dass er in Zukunft großes vor hat.

Alexander Dierke

Athletics - Olympic Games Paris 2024: Day 14

Verdiente Auszeichnung

Köln, 15. Januar

Liebe Leserinnen und Leser, Yemisi Ogunleye und Leo Neugebauer sind unsere „Leichtathleten des Jahres“ 2024. Zwei Olympia-Helden, die jedoch in der vergangenen Saison längst nicht nur in Paris geglänzt haben. Vielmehr widersprachen die Kugelstoßerin und der Zehnkämpfer einem Trend: nämlich jenem, dass die deutsche Leichtathletik aktuell nicht in der Weltklasse stattfände. Ogunleye und Neugebauer gehören sehr wohl zu den Besten des Globus – alles andere würde nach olympischem Gold und olympischem Silber auch für Fragezeichen sorgen. Die Entwicklungen der beiden Athleten sind hingegen durchaus unterschiedlich – und doch haben sie gemeinsam, dass beide (für den Außenstehenden so wirkend) von jetzt auf gleich so richtig durchstarteten.

Neugebauer gelang sein Durchbruch schon 2023, der US-Student stieg damals mit seinem deutschen Rekord quasi über Nacht zum Hero auf. Im vergangenen Jahr schraubte er diese Bestmarke erneut beeindruckend in die Höhe und kratzt längst an der 9.000-Punkte-Marke. Silber in Paris war wohl „bloß“ eine vorübergehende Krönung. Und Yemisi Ogunleye? Die hat 2024 eine Geschichte geschrieben, die wohl in keinem Drehbuch besser hätte stehen können. Mit dem Hallenauftakt in Nordhausen steigerte die 26-Jährige damals auf Anhieb ihre persönliche Bestleistung, es folgte Silber bei der Hallen-WM und der erste Stoß über 20 Meter. Ogunleye war angekommen in der Weltspitze. Im Sommer hatte sie dann – ganz im Stile einer Gospelsängerin – ihre großen Auftritte: Auf eine Bronzemedaille bei der EM folgte der Olympiasieg. Wieso die dort mit dem letzten Versuch gestoßenen exakt 20,00 Meter für die gläubige Athletin von so besonderer Bedeutung sind, verrät sie im Sieger-Interview in dieser Ausgabe. Was ansonsten bleibt: Es ist wieder einmal schön zu sehen, wie sehr sich die beiden Gewinner über die Auszeichnung freuen.

Alexander Dierke

NEUGEBAUER Leo Team GER 110m Huerden 10-Kampf 2.Tag LA Weltmeisterschaften 2023 in Budapest am 26.08.2022 in Budapest **

So lasset die Spiele beginnen

Köln, 30. Juli

Liebe Leserinnen und Leser,
drei Jahre des Wartens haben ein Ende. Drei Jahre seit den Spielen in Tokio, in denen Athleten gereift sind, Höhen und Tiefen erlebt haben. Drei Jahre, in denen Sportler gegangen und neue Sportler hinzugekommen sind. Und drei Jahre, in denen Träume gereift, aber auch Träume zerplatzt sind. Am 1. August heißt es für die Leichtathleten: Lasset die Spiele beginnen. Für jeden einzelnen der 79 Athletinnen und Athleten, die für das deutsche Team in Paris starten, geht mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen ein Traum in Erfüllung. Egal ob es das erste, zweite oder dritte Mal ist. Es steht und fällt zunächst einmal mit dem olympischen Motto: Dabei sein ist alles. Denn nichts ist in der Karriere höher zu werten als ein Olympia-Start. Oder etwa doch? Was ist größer als ein Olympiasieg?! Die besten Leichtathleten dieser Tage nehmen sich genau diesen Triumph vor – ob in der Rolle des Jägers oder gar als amtierender Olympiasieger. Es sind die Armand Duplantis’, Jakob Ingebrigtsens und Jaroslawa Mahutschichs, die in der französischen Hauptstadt wohl nicht zu schlagen sein werden. Doch es stehen auch elektrisierende Duelle um die Medaillen an: Etwa über die 400 Meter Hürden zwi- schen der Niederländerin Femke Bol und der US-Amerikanerin Sydney McLaughlin-Levrone. Oder über die 100 Meter zwischen Dreifach-Weltmeister Noah Lyles (USA) und dem Jamaikaner Kishane Tompson. Und natürlich im Weitsprung der Frauen zwischen der US-Amerikanerin Tara Davis- Woodhall und Deutschlands Ausnahmekönnerin Malaika Mihambo. Es ist die Europameisterin, der im DLV-Team wieder einmal die größten Medaillenchancen zugesprochen werden dürfen. Doch auch Speerwerfer Julian Weber und Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye besitzen das Potenzial dazu. Und natürlich Zehnkämpfer Leo Neugebauer. Es ist also Zeit für die ganz große Show!

 

Alexander Dierke

 

WM 2023 Budapest, World Athletics, Leichtathletik, athletics, Track and Field, World athletics Championships 2023 Budape

Im Scheinwerferlicht

Köln, 2. April

Liebe Leserinnen und Leser,
mit den Cross-Weltmeisterschaften in Belgrad und den Texas Relays in Austin ist die Freiluft-Saison langsam aber sicher angerollt. Während in Serbien die beiden Vorjahressieger, Jacob Kiplimo aus Uganda und die Kenianerin Beatrice Chebt, zum zweiten Mal in Serie triumphierten, überragte in den USA einmal mehr Leo Neugebauer. Das deutsche Zehnkampf-Ass ließ nur wenige Wochen nach seinem deutschen Hallen-Rekord, den zweitbesten Outdoor-Wettkampf seiner Karriere folgen: 8.708 Punkte. „Leo the German“ rockt die Leichtathletik-Welt – und ist einer der großen Favoriten für den Sommer. Der Sportler des VfB Stuttgart ist im weltweiten Vergleich bei weitem nicht der einzige Athlet, der eine solche Titulierung innehat, doch national gesehen ist er schon fast so etwas wie ein Unikat. Denn wohl keiner aus der DLV-Riege dürfte bei den Olympischen Spielen in Paris bessere Chancen besitzen als der 23-jährige Schwabe. Nicht einmal eine Malaika Mihambo.
Doch dieses Jahr verspricht, nun wo die Türen für den Sommer öffnen, noch wesentlich mehr Stars. Wesentlich mehr Spektakel und Hochkarätiges. Im internationalen Feld sind es Namen wie Armand Duplantis, Femke Bol, Yulimar Rojas und Noah Lyles, welche wie keinen Zweiten das Scheinwerferlicht auf sich ziehen. Sie alle können für sich persönlich in diesem Jahr historisches schaffen. Sei es mit einem möglichen ersten Olympiasieg oder gar – ja, unrealistisch – olympischen Vierfach-Triumph. Was in den kommenden Monaten drin ist, und wie die Weltbesten aktuell drauf sind, lesen Sie in unserem Top-Thema. Zudem wirft Leichtathletik auch den Blick auf junge Hoffnungsträger, die in diesem Jahr endgültig durchstarten könnten. Einer davon ist Molly Caudery. Die britische Stabhochspringerin kürte sich zuletzt zur Hallen-Weltmeisterin und ist nun auch für Rom und Paris eine der großen Favoritinnen auf Edelmetall.

 

Alexander Dierke

 

World Athletics Championships Budapest 23; Hungary, 25.08.2023 Leo Neugebauer (GER/Germany) during the Decathlon Long Ju

Verdiente Auszeichnung

Köln, 23. Januar

Liebe Leserinnen und Leser,
die neue Saison nimmt in der Halle endlich Fahrt auf. Mit dem Sparkassen Indoor Meeting in Dortmund und der Mehrkampf- DM in Frankfurt standen zwei erste kleine nationale Highlights auf dem Programm – samt heiß ersehnter Comebacks. Etwa von Weitsprung-Queen Malaika Mihambo, Sprinterin Alexandra Burghardt und Stabhochspringer Torben Blech. Sie alle sind wieder fit. Das ist eine gute Nachricht zu Beginn diesen Jahres.
Die erfreulichste Nachricht haben in den vergangenen Tagen aber Leo Neugebauer und Olivia Gürth erhalten: Die beiden Youngster, die im vergangenen Jahr zu DLV-Hoffnungsträgern avancierten, sind unsere „Leichtathleten des Jahres“ 2023! Zehnkämpfer Neugebauer hat nicht zuletzt durch seinen deutschen Rekord und seinen selbstbewussten Auftritt bei der WM überzeugt, Hindernisläuferin Gürth ließ Gold bei der U23-EM einen Finaleinzug in Budapest samt neuer PB und Olympia-Norm folgen. Folgerichtig und verdient ist in meinen Augen deshalb nun diese Auszeichnung. Schön zu sehen war es auch, dass wir beiden – der eine in den USA, die andere gerade im Trainingslager in Südafrika weilend – mit der Verkündung ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnten. Diese Würdigung ihrer Vorjahres-Leistungen werden beide als zusätzlichen Ansporn nehmen für die großen Ziele, die sie in dieser Saison erreichen wollen. Welche das sind, lesen Sie in unseren Interviews mit den beiden Gewinnern. Zudem blicken wir in dieser Ausgabe auch auf die Sieger der übrigen Kategorien.
Für einige Zeit von der Bildfläche verschwunden war Lea Meyer. Die Hindernis-Läuferin plagten seit dem Sommer gesundheitliche Probleme. Eine Geschichte, die ihr auch mental zu schaffen machte. Inzwischen hat sie ihren Trainingsschwerpunkt in die USA verlagert – und ist, das kam im Gespräch mit ihr rüber, nun endlich wieder glücklich.

Alexander Dierke

 

Gina LUECKENKEMPER (SCC Berlin, GERMANY), 100m Women, 100m Frauen HUN, Leichtathletik, Athletics, World Athletics Champi

System hinterfragen

Köln, 5. September

Liebe Leserinnen und Leser,
ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber auch mit über einer Woche Abstand zu den Weltmeisterschaften sind diese für mich noch immer das beherrschende Thema. Schlicht zu groß war die Enttäuschung über das Abschneiden des DLV-Teams in Budapest, zu groß der Schmerz, der einen jeden, der es mit der deutschen Leichtathletik hält, überkommen hat. Gepaart mit der bitteren Erkenntnis, dass Deutschland im Vergleich mit der Weltelite tatsächlich nicht mehr konkurrenzfähig ist. Und diese Tatsache wird allen voran den DLV-Athleten besonders zusetzen, jenen Sportlern, die in Ungarn zum Teil über sich hinausgewachsen sind — im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Denn für die Ursachen dieses historischen Debakels sind in erster Linie andere verantwortlich. Das deutsche Leichtathletik-System scheint beschädigt, fehlerhaft. Offenbart Schwächen, die sich über die Jahre entwickelt haben. Droht der einstigen Medaillennation Deutschland gar der Absturz in die Bedeutungslosigkeit? Und an welchen Stellschrauben muss zwingend gedreht werden? Mit diesen Fragen haben wir uns in den Tagen seit der WM beschäftigt, mit den Meinungen und der Kritik der Experten. Gesprochen haben wir auch mit einem, der die Geschehnisse im Nemzeti Atlétikai Központ bestens einordnen kann: Ex-Zehnkämpfer Frank Busemann war die gesamten neun Wettkampftage als TV- Experte vor Ort und hat erlebt, wie sich etwa die Förderung, welche Leo Neugebauer in den USA erhält, in Budapest positiv bemerkbar gemacht hat. Auch ohne Medaille. Die Gesellschaft muss ihr Verständnis von Leistung jedenfalls grundsätzlich hinterfragen, meint Busemann, und stößt eine Diskussion an, welche über die Leichtathletik hinaus zu führen ist.

Alexander Dierke

 

Track and Field: NCAA, College League, USA Championships Jun 8, 2023; Austin, TX, USA; Leo Neugebauer of Texas celebrate

Ein echter Glücksfall

Köln, 20. Juni

Liebe Leserinnen und Leser,
elf deutsche Zehnkampf-Rekordler hat die deutsche Leichtathletik in ihrer Historie seit 1910 bisher erlebt. Es sind Namen wie Kurt Bendlin und Guido Kratschmer, welche die Disziplin rekordtechnisch prägten. Und nicht zu vergessen natürlich Jürgen Hingsen. Seit 39 Jahren führte dieser die ewige deutsche Bestenliste an, seine 1984 aufgestellten 8.832 Zähler, sie blieben stets unerreicht. Bis zum 8. Juni 2023. Dem Tag, als in den USA die Sternstunde des Leo Neugebauer aufging: Mit 8.836 Zählern drang der College-Student in neue Sphären vor, schaffte das, was in der Vergangenheit etwa einem Frank Busemann oder Niklas Kaul nicht gelang. Mit erst 22 Jahren, am Anfang seiner Karriere stehend, kürte er sich zum zwölften deutschen Zehnkampf-Rekordler. Überhaupt haben in der Geschichte des Zehnkampfs bisher global erst acht Athleten mehr Punkte erreicht.
Vom vielversprechenden Nachwuchstalent ist Neugebauer binnen kürzester Zeit nun zu einem ernsthaften DLV-Medaillenkandidaten für die WM in Budapest sowie Olympia 2024 in Paris geworden. War es die letzten Jahre Kaul, der mehr oder weniger als alleiniges Aushängeschild des deutschen Zehnkampfs agierte, besitzt der Europameister mit Neugebauer nun einen ernsthaften Konkurrenten an seiner Seite. Und das ist ein echter Glücksfall. Denn die deutschen Leistungen wird das in Zukunft keinesfalls schmälern, vielmehr müssen beide abliefern: Kaul muss seine Position als deutsche Nummer eins neu behaupten, Neugebauer wiederum muss beweisen, dass der Wettkampf in Texas kein einmaliger Ausreißer war. Freuen wir uns also schon jetzt auf die WM!

Alexander Dierke