Tag : Olympische Spiele

World Athletics Indoor Championships Glasgow 2024 - Day One Christina Honsel from Germany is competing in the high jump

Momente für die Ewigkeit

Köln, 17. Dezember

Liebe Leserinnen und Leser,
jetzt ist es endgültig Zeit für einen Rückblick: Das Jahr 2024 ist in wenigen Tagen vorüber und damit ein Jahr, auf das im Vorfeld lange hingefiebert wurde. Olympische Spiele stehen schließlich nur in jeder vierten Saison auf dem Programm. Und in puncto deutsche Leichtathletik waren die Wettkämpfe, oder besser gesagt die Leistungen der DLV-Athleten in der französischen Hauptstadt Paris ja ohnehin unter besonderer Beobachtung. Nach schwachen letzten Jahren; und in Hinblick auf die angestrebte Rückkehr Deutschlands unter die Top Fünf der Welt bis 2028. Sie wissen, wie der Jenga-Turm deutsche Leichtathletik aktuell zusammengesetzt ist …

Eine Therapie ist da schon länger notwendig, doch was bringt diese für die nationale Leichtathletik nach dieser Saison 2024 als Zwischenfazit hervor? Vielleicht einfach so viel: Es ist kompliziert – aber die erste Trendumkehr (eines dieser Wörter der jüngeren Leichtathletik-Vergangenheit) ist gelungen. Auf Verbandsebene wurden einige Änderungen vollzogen, auf Seite der Athleten haben Medaillen bei den Europameisterschaften sowie in Paris für besondere Momente gesorgt. Dass es für die DLV-Delegation im Stade de France vierfach Edelmetall gab, ist etwa im Vergleich zu Tokio 2021 eine Verbesserung. Und zum Jahresende ist es irgendwann auch mal genug mit der Nörgelei … Denn was von den vergangenen Monaten bleibt, sind auch zahlreiche unvergessliche Momente. Das sensationelle Kugelstoß-Gold von Yemisi Ogunleye etwa. Oder das starke Comeback von Hindernis-Spezialistin Gesa Krause. Und natürlich die Weltrekord-Show des schwedischen Stabhochsprung-Ausnahmekönners Armand Duplantis. Die außergewöhnlichsten Sportlerleistungen und Momente lassen wir nicht nur in unserem Jahresrückblick noch einmal aufleben, sondern die besten nationalen Athleten stehen auch als „Leichtathleten des Jahres“ zur Wahl.

Abschließend bleibt mir nun noch, mich für Ihre uns 2024 gegenübergebrachte Treue zu bedanken. Im Namen der Redaktion wünsche ich Ihnen besinnliche Weihnachtsfeiertage und einen guten Rutsch in das Jahr 2025.

 

Alexander Dierke

OGUNLEYE Yemisi (Deutschland) jubelt ueber den Sieg und die Gold Medaille, Kugelstoßen Frauen, Finale, FRA, Olympische S

Zeit für ein Fazit

Köln, 24. September

Liebe Leserinnen und Leser,
die Freiluft-Saison 2024 ist beendet. Zu dessen Abschluss waren noch einmal eine handvoll DLV-Athleten beim Diamond-League-Finale in Brüssel vertreten, wobei mit Julian Weber, Yemisi Ogunleye und Max Heß drei deutsche Starter noch einen Podiumsplatz einstreichen konnten. Das sind positive Akzente zum Ende des Sommers, gepaart aber auch mit der Erkenntnis, dass die große Show in zahlreichen Disziplinen wieder einmal ohne das Mitwirken nationaler Leichtathleten stattfand. Neu ist das bekanntermaßen nicht, und doch hat sich in diesem Jahr einiges getan in Sachen deutsche Leichtathletik.

Die vier Medaillen des DLV-Teams vor wenigen Wochen bei den Olympischen Spielen sind das, was letztlich zählt. Anhand dessen lässt sich urteilen – oder aber auch anhand jener Medaillen, die nicht gewonnen wurden. Paris war der Moment, der zählt, die Bestandsaufnahme mit Aussagekraft, die Antwort auf die Frage, wo die nationale Leichtathletik vier Jahre bevor man wieder zu den Top-Fünf-Nationen dieser Welt gehören möchte steht. Simpel zusammenfassen lässt es sich so: Es ist kompliziert. Allen voran Kugelstoßerin Ogunleye hat nämlich 2024 sehr wohl dafür gesorgt, dass man Freude daran haben konnte, deutschen Leichtathleten zuzuschauen. Oder aber auch die übrigen Medaillengewinner von Paris. Oder aber beispielsweise Sprinter Owen Ansah, der bei den Deutschen Meisterschaften über die 100 Meter als erster DLV-Athlet der Geschichte die Zehn-Sekunden-Marke zu unterbieten wusste. Eine Laufdisziplin zu nennen ist aber irgendwo auch widersprüchlich. Denn abgesehen von der Frauen-Staffel und den Hindernisläuferinnen um Gesa Krause und Lea Meyer war es besonders der Laufbereich, in dem sich (in Paris) große Enttäuschung breit machte.

Man muss auf Leistungsexplosionen hoffen – wie unlängst von Gina Lückenkemper. Oder aber auf die nächste Generation setzen. Doch um die steht es nicht immer gut, das ist nicht erst seit kurzem bekannt, ist aber in diesem Jahr wieder einmal als Defizit aufgekommen. Es mangelt hierzulande an ausreichender Nachwuchs- und Athletenförderung. Und es bedarf einem Handeln außerhalb von Bürokratie – es sei an die Worte des DLV-Sportvorstands Dr. Jörg Bügner während Olympia erinnert: „Wir schreiben Excel-Tabellen, die anderen trainieren.“

Alexander Dierke

European Championships Munich 2022, Leichtathletik EM, Europa Leichtathletikmeisterschaften München 2022, 12.08-21.08.20

Neue Namen, große Ziele

Köln, 10. September

Liebe Leserinnen und Leser,

die öffentliche Kommunikation des Deutschen Leichtathletik-Verbandes hat sich in den vergangenen Monaten verändert: Dr. Jörg Bügner ist es, der die Geschehnisse rund um den DLV vermehrt kommentiert. Aus gutem Grund wurde der im vergangenen Jahr als Sportdirektor eingestellte Bügner im Vorfeld dieser Saison schließlich zum Sportvorstand befördert. Auch intern läuft die Kommunikation mittlerweile vor allem über ihn, insbesondere die einzelnen Disziplin-Bundestrainer berichten inzwischen direkt an ihn. Er hat somit in gewisser Weise auch jene Rolle inne, die im Vorjahr noch Annett Stein als leitende Chef-Bundestrainerin zugeteilt war – diese wurde bekanntlich in Aufarbeitung des WM-Debakels von Budapest geschasst. Kurzum kann man sagen: Der Verband stellt sich neu auf, versucht mit Strukturreformen der Krise der letzten Jahre entgegenzuwirken. Der nächste Schritt wurde nun auf der Mitgliederversammlung getätigt, das Präsidium weicht fortan einem Aufsichtsrat – und damit geht auch der bisherige Präsident Jürgen Kessing. Vorzeitig, auf eigenen Wunsch hin. Sein Nachfolger, der die Stelle als Aufsichtsrat bekleiden wird, heißt Jochen Schweitzer. Kein Unbekannter, ist er seit Kessings Amtsantritt im Jahr 2017 bereits als Vize-Präsident tätig gewesen. Und doch kommt mit ihm frischer Wind auf. Das tut, ohne Kessing schmälern zu wollen, dem Verband gut. Es sei zudem in den Raum geworfen, ob ein ähnlicher Schritt nicht auch für den Posten des Vorstandsvorsitzenden sinnvoll wäre. Neue Namen können schlicht auch neue Impulse setzen – und solche haben der DLV und die nationale Leichtathletik bitternötig. Schließlich soll bis zu den nächsten Olympischen Spielen der Abstand zur Weltspitze verringert werden. Ein Handeln ist gefragt, vor allem auch, was die Themen Athletenförderung und Talentgewinnung anbelangt.

 

Alexander Dierke

 

Olympische Spiele (Leichtathletik); Paris, 06.08.2024 Malaika Mihambo (LG Kurpfalz / GER), Finale, Weitsprung, long jump

Einmalige Spiele

Köln, 27. August

Liebe Leserinnen und Leser,
nach den Olympischen ist vor den Paralympischen Spielen. Ab dem 30. August kämpfen auch die Para-Athleten in Paris um die Medaillen – und das deutsche Team um Weitsprung-Ausnahmekönner Markus Rehm ist durchaus gut aufgestellt. Die Kandidaten, die neben dem Leverkusener die größten Chancen auf Edelmetall besitzen, stellen wir Ihnen in unserer Vorschau auf den Seiten 8–9 vor. Für die (deutschen) Olympia-Starter ist hingegen inzwischen bereits wieder Alltag eingekehrt. Die Freiluft-Saison trudelt dem Ende entgegen, bietet aber vorher noch ein paar Highlights: In der Diamond League fallen die letzten Entscheidungen, und mit dem ISTAF geht noch ein echter Klassiker über die Bühne. Apropos Diamond League: Bei den zurückliegenden Meetings in Lausanne und Chorzów haben die weltbesten Athleten bewiesen, dass ihr Hunger auf Erfolg auch nach den Spielen nicht gestillt ist, zwei Weltrekorde inklusive. Apropos ISTAF: In Berlin wird Deutschlands erfolgreichste Hürdensprinterin vergangener Jahre, Carolina Krafzik, den letzten Wettkampf ihrer Karriere bestreiten – was sie zum Aufhören bewegt, lesen Sie ebenfalls in dieser Ausgabe. Wenngleich der Leichtathletik-Alltag wieder Einzug gehalten hat, so gilt es doch, sich noch einmal mit den Geschehnissen in der französischen Hauptstadt zu beschäftigen. Oder aber besser gesagt mit den Erkenntnissen, die das deutsche Abschneiden gebracht hat. Zum einen eine kleine Trendumkehr: Vier Medaillen und 51 Nationenpunkte bedeuteten eine leichte Verbesserung gegenüber den Spielen in Tokio 2021 und vor allem gegenüber dem WM-Debakel 2023. Zum anderen aber hat sich einmal mehr gezeigt, dass man in vielen Disziplinen weit davon entfernt ist, Anschluss an die Weltspitze aufzubauen. Mit dem aktuellen Sportsystem (Förderung etc.) in Deutschland wird sich daran auch bis 2028 nichts ändern!

 

Alexander Dierke

 

NEUGEBAUER Leo Team GER 110m Huerden 10-Kampf 2.Tag LA Weltmeisterschaften 2023 in Budapest am 26.08.2022 in Budapest **

So lasset die Spiele beginnen

Köln, 30. Juli

Liebe Leserinnen und Leser,
drei Jahre des Wartens haben ein Ende. Drei Jahre seit den Spielen in Tokio, in denen Athleten gereift sind, Höhen und Tiefen erlebt haben. Drei Jahre, in denen Sportler gegangen und neue Sportler hinzugekommen sind. Und drei Jahre, in denen Träume gereift, aber auch Träume zerplatzt sind. Am 1. August heißt es für die Leichtathleten: Lasset die Spiele beginnen. Für jeden einzelnen der 79 Athletinnen und Athleten, die für das deutsche Team in Paris starten, geht mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen ein Traum in Erfüllung. Egal ob es das erste, zweite oder dritte Mal ist. Es steht und fällt zunächst einmal mit dem olympischen Motto: Dabei sein ist alles. Denn nichts ist in der Karriere höher zu werten als ein Olympia-Start. Oder etwa doch? Was ist größer als ein Olympiasieg?! Die besten Leichtathleten dieser Tage nehmen sich genau diesen Triumph vor – ob in der Rolle des Jägers oder gar als amtierender Olympiasieger. Es sind die Armand Duplantis’, Jakob Ingebrigtsens und Jaroslawa Mahutschichs, die in der französischen Hauptstadt wohl nicht zu schlagen sein werden. Doch es stehen auch elektrisierende Duelle um die Medaillen an: Etwa über die 400 Meter Hürden zwi- schen der Niederländerin Femke Bol und der US-Amerikanerin Sydney McLaughlin-Levrone. Oder über die 100 Meter zwischen Dreifach-Weltmeister Noah Lyles (USA) und dem Jamaikaner Kishane Tompson. Und natürlich im Weitsprung der Frauen zwischen der US-Amerikanerin Tara Davis- Woodhall und Deutschlands Ausnahmekönnerin Malaika Mihambo. Es ist die Europameisterin, der im DLV-Team wieder einmal die größten Medaillenchancen zugesprochen werden dürfen. Doch auch Speerwerfer Julian Weber und Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye besitzen das Potenzial dazu. Und natürlich Zehnkämpfer Leo Neugebauer. Es ist also Zeit für die ganz große Show!

 

Alexander Dierke

 

Imke Onnen (Hannover 96, 859), Hochsprung Frauen, GER, Leichtathletik, Athletics, Deutsche Meisterschaften, 30.06.2024,

Persönliche Geschichten

Köln, 16. Juli

Liebe Leserinnen und Leser,
jetzt geht es Schlag auf Schlag: Nur noch zwei Wochen verbleiben bis zum Beginn der Olympischen Spiele in Paris. Die deutsche Leichtathletik wird dort mit insgesamt 79 Athletinnen und Athleten vertreten sein – es ist ein breites Team, das durchaus Bunt gemischt ist. Von Newcomern über Routiniers bis hin zu Medaillenhoffnungen ist alles dabei. Wenngleich sich letztere Kandidaten realistisch gesehen wohl auf die bekannten Namen Mihambo, Neugebauer, Ogunleye und Weber beschränken. Doch es wurde in der Vergangenheit so viel Kritik geäußert, da darf man, finde ich, vor den Spielen auch mal das olympische Motto zitieren: Dabei sein ist alles. Denn wenn man mit den Athleten spricht und diese beobachtet, ist zu vernehmen, wie groß für jeden einzelnen von ihnen die Freude über eine Olympia-Teilnahme ist. Und es sind teilweise die individuellen Geschichten, die beim – berechtigen – Bemängeln des deutschen Leistungspotenzials untergehen. Ein Beispiel ist der Hochsprung der Frauen: Nach der EM war allgemein eine Enttäuschung über das Abschneiden von Imke Onnen und Christina Honsel zu vernehmen. Doch etwa im Falle von Onnen besitzt man eine Athletin, die nach unzähligen Verletzungen in den letzten Jahren in dieser Saison endlich von Beschwerden verschont bleibt und mit starken Leistungen dankt. Wie es die 29-Jährige geschafft hat, das Leiden vergangener Zeiten hinter sich zu lassen, lesen sie in dieser Ausgabe. Wie auch ein Interview mit Weitsprung-Ass Malaika Mihambo. Ihre 7,22 Meter bei der EM waren eine Ansage, in Paris könnte sie sich nun zum zweiten Mal im Folge zur Olympiasiegerin küren. Doch Erfolg hin oder her: Mihambo definiert sich über viel mehr als ihre sportliche Performances, das beweist sie auch im Gespräch mit gewohnt meinungsstarken Gedanken. Die pre-olympische Zeit wird vor allem von persönlichen Geschichten geprägt!

 

Alexander Dierke

 

European Championships Munich22; Leichtathletik, 17.08.2022 Sophie Weissenberg (GER) - European Championships Munich22

EM als Signalwirkung?

Köln, 14. Mai

Liebe Leserinnen und Leser,
verspüren Sie auch schon Vorfreude auf die anstehenden Europameisterschaften? Nur noch knapp drei Wochen sind es, bis am 7. Juni in Rom die kontinentalen Titelentscheide beginnen. Unfassbar, wie schnell die Zeit vergeht! Die Enttäuschungen der WM in Budapest sind inzwischen beinahe ein Dreivierteljahr her, Zeit also, den Blick auf die Zukunft zu richten. Wenn man dieser Tage mit deutschen Athleten spricht, ist zu spüren, dass sie alle gewillt sind, es in dieser Saison besser zu machen als in der Vergangenheit. Wenngleich eine ausreichende Motivation der DLV-Sportler wohl nie das Problem war. Anders sieht es in puncto Fokussetzung aus. Es ist irgendwo verständlich, dass in einem Jahr wie diesem die Olympischen Spiele im Mittelpunkt stehen – schließlich wollen in Paris alle Athleten bestmöglich performen. Doch die EM kann zuvor einen wichtigen Beitrag zur Stimmung in der nationalen Leichtathletik-Welt beitragen. Denken Sie doch noch mal zurück an München 2022: Was war das für eine Euphorie, die entfacht wurde – nur zwei Wochen nach dem Desaster in Eugene. Bei mir ist die Vorfreude auf diese bevorstehende EM jedenfalls groß, und ich hoffe durchaus auf eine Signalwirkung. Ein wenig Werbung in eigener Sache würde der Leichtathletik sicherlich nicht schaden. Bereits ordentlich auf sich aufmerksam gemacht hat Siebenkämpferin Sophie Weißenberg. Im vergangenen Jahr landete die sympathische Athletin in Budapest auf Rang sieben – und war damit eine der besten Deutschen bei der WM. Doch seitdem ist viel passiert. Im Herbst entschied sich Weißenberg zu einer Fuß-OP und kämpfte sich über den Winter im Training Stück für Stück zurück. Nun ist die 26-Jährige bereit für die Saison. Vor Rom geht es für sie am kommenden Wochenende nach Götzis, nach Rom soll dann auch ihre Reise in Paris enden. Was das für sie bedeuten würde, verrät sie im Interview in der aktuellen Leichtathletik-Ausgabe.

 

Alexander Dierke

 

Gina LUECKENKEMPER (Lückenkemper)(SCC Berlin) 100m Vorlauf der Frauen, am 08.07.2023 Deutsche Leichtathletik Meisterscha

Als Athletin gewachsen

Köln, 30. April

Liebe Leserinnen und Leser,
es macht stets aufs Neue Spaß, sich mit meinungsstarken deutschen Athleten zu unterhalten. Und speziell die Gespräche mit Gina Lückenkemper sind da immer ein Highlight. Schließlich ist die Sprinterin nicht nur auf der Sprintbahn stark unterwegs, sondern besitzt auch zu fast allem eine Meinung. Sympathisch sind die Interviews mit der amtierenden 100-Meter- Europameisterin ohnehin. Dieses Mal gab es durchaus viel zu besprechen, verfolgt Lückenkemper im anstehenden Sommer große Ziele: Bei der EM soll im Juni bestenfalls die Titelverteidigung gelingen und knapp zwei Monate später bei den Olympischen Spielen endlich der Traum einer Final-Teilnahme in Erfüllung gehen. Darauf ist bei ihr alles ausgerichtet. In diesem Jahr hat sie die Hallen-Saison gänzlich ausgelassen und sich stattdessen intensiv in Florida unter ihrem Coach Lance Brauman auf die kommenden Aufgaben vorbereitet. Es ist ein Schritt, welchen beide im Anschluss an ihr Halbfinal-Aus bei der Vorjahres-WM beschlossen haben. Die Wettkampfbelastung sei in der Vergangenheit zu hoch gewesen, sagt sie selbst – und vermittelt insgesamt den Eindruck, als Athletin noch einmal gewachsen zu sein. Neben starken Trainingseindrücken gibt ihr auch ihr Freiluft-Auftakt recht: Nie zuvor starte Lückenkemper schneller in eine Saison als unlängst bei einem Meeting in Florida. Ohnehin weiß die 27-Jährige ihren Status und ihre Möglichkeiten in den Staaten zu schätzen. Weil solche Ausbildungsbedingungen für die deutschen Athleten noch immer eine Ausnahme sind. Die nationalen Gegebenheiten können beispielsweise mit denen in den USA nicht mithalten – allein weil es dort einen durchaus großen Wissensvorsprung gibt, wie Lückenkemper anfügt. Im Falle der Top-Sprinterin könnte der DLV davon profitieren. Und vor allem sie selbst – in Rom und dann in Paris.

 

Alexander Dierke

 

European Championships Munich22; Leichtathletik, 15.08.2022 Im Fokus der TV-Kameras: Alica Schmidt (GER) - European Cham

Neue Wege gehen

Köln, 16. April

Liebe Leserinnen und Leser,
mit dem Auftakt-Meeting der Diamond League startet die Freiluft-Saison am 20. April auch endgültig für die internationale Elite. Es steht ein Sommer bevor, der mit den Europameisterschaften in Rom und den Olympischen Spielen in Paris zwei ganz große Highlights in petto hat. Beide Titelkämpfe werden unzählige Fans anlocken — sei es vor Ort im Stadion oder daheim vor den Fernsehbildschirmen. Es ist ein Phänomen, das fast Gesetz ist: Sportgroßereignisse begeistern die Menschen. Doch sind die Events erst einmal wieder vorbei, schwindet zumeist auch das Interesse der breiten Bevölkerung wieder. In der Leichtathletik stellt sich seit Langem die Frage, wie sich die Sportart attraktiver gestalten lässt, um speziell auch jüngere Zielgruppen zu erreichen. Mit der Idee einer Regeländerung im Weitsprung hat der Weltverband World Athletics dem Thema vor Kurzem neue Brisanz verschafft. Von einem „Wettlauf gegen die Zeit“ sprach WA-Chef Sebastian Coe hingegen schon im vergangen Jahr. Und ein solches Rennen kann sehr wohl auch abseits der Laufbahn ausgemacht werden. Wobei weniger der Umbau bestehender Disziplinen der Weg zu höherer Attraktivität zu sein scheint, als vielmehr sich die Frage gestellt werden sollte, wie Athleten und Wettkämpfe zugänglicher gemacht werden können. Die junge Generation wird etwa über die Sozialen Medien erreicht, denn auch der Sportkonsum hat sich verändert. Es ist nun mal so: Wenn eine Sportart nahbar ist, können auch Menschen dafür begeistert werden. Und auf lange Sicht geht es nicht nur hierzulande darum, wieder vermehrt junge Leute für die Leichtathletik zu begeistern. Als Fans und vor allem auch als Athleten. Ein zeitgemäßer Sport und (finanzielle) Lukrativitat kann so langfristig auch dazu beitragen, den Erfolg zurück zu bringen. Veränderung ist nicht immer leicht, und kann doch viel bewirken.

 

Alexander Dierke

 

World Athletics Championships Oregon22 - Day Six

Schwierig zu beurteilen

Köln, 6. Februar

Liebe Leserinnen und Leser,
der Fall Sara Benfares hat Ende Januar in der deutschen Leichtathletik- und Sportwelt für großes Aufsehen gesorgt. Das Bekanntwerden eines positiven Dopingtests bei der DLV-Langstrecklerin, welcher die beiden verbotenen Substanzen Epo und Testosteron aufwies, hat sich sechs Monate vor Beginn der Olympischen Spiele zunächst wie ein dunkler Schatten über die Sportart gelegt. Besonders, weil es in der Leichtathletik der erste deutsche Doping-Verdachtsfall seit geraumer Zeit ist. Für den DLV, der darauf bedacht ist, Anti-Doping-Maßnahmen großzuschreiben, wäre die Bestätigung des Verdachts zunächst einmal eine durchaus bitter zu schluckende Pille. Wenngleich ein Einzelfall nicht direkt einem Skandal gleichzusetzen ist. So zumindest sah die Lage anfangs aus.
Denn in den letzten Tagen hat der Fall eine andere Wendung genommen. Benfares’ Vater äußerte gegenüber dem französischen Leichtathletik-Portal „SPE15“, seine Tochter sei im vergangenen Spätsommer an Knochenkrebs erkrankt, die beiden Substanzen habe Sara im Zuge dessen aus medizinischen Gründen zu sich genommen. Eine Nachricht, die durchaus bestürzt macht, aber auch mit Fragen verbunden ist. Etwa weshalb die Nationale Anti-Doping- Agentur, kurz NADA, nicht vorab über die Erkrankung informiert wurde – ist dies auch in solchen Fällen Pflicht. Das Argument der Dringlichkeit einer Behandlung ist in meinen Augen aus menschlicher Sicht aber nachvollziehbar. Denn: Sollte sich die Krebserkrankung bestätigen, geht es um wichtigere Dinge als den Sport oder mögliche Verbote. Aber auch der Wahrheitsgehalt der Äußerungen über die gesundheitliche Situation Benfares ist noch unklar – und birgt manche Zweifel. Aufgrund der unklaren Lage sollte man sich als neutraler Außenstehender demnach auch kein vorschnelles Urteil bilden, sondern die Entwicklungen abwarten.

Alexander Dierke

 

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