Tag : Sportförderung

Tokyo 2021, Olympische Sommerspiele, Olympics, Oylmpic Summer Games, 23.07-08.08.2021, Olympiastadion Tokyo, 4x100m Staf

Meinungskonfrontation

Köln, 19. März

Liebe Leserinnen und Leser,
nicht nur in der Leichtathletik ist das deutsche Leistungspotenzial verglichen mit der Weltelite seit Jahren rückläufig. Auch in anderen Sportarten geht die Erfolgskurve nationaler Athleten seit längerem zurück. Besonders davon betroffen ist das Abschneiden der in Schwarz-Rot-Gold gekleideten Sportler bei Olympischen Spielen. Holte man einst 1992 nach der Wiedervereinigung noch 82 Medaillen, konnte Deutschland 2021 bei den Spielen in Tokio lediglich noch 37 Mal über Edelmetall jubeln. Ein zentraler Punkt, mit dem das sinkende Leistungsvermögen begründet wird, ist die unzureichende Sportförderung hierzulande. Entsprechend groß waren die Erwartungen an den ersten Entwurf des geplanten neuen Sportfördergesetzes. Mit diesem soll die seit Jahren anvisierte Spitzensportreform endlich vorangetrieben werden. Eine unabhängige Sportagentur soll künftig über die Verteilung der Fördermittel – für den Spitzensport werden vorerst weiterhin knapp 300 Millionen Euro zur Verfügung gestellt – entscheiden. So zumindest die Idee. Denn der Anfang März vorgelegte Entwurf des Bundesinnenministeriums stößt im organisierten Sport auf reichlich Kritik. Weil, anders als wohl zwischen Bund und DOSB ursprünglich vorgesehen, dem Sport kein alleiniges Entscheidungsrecht über die Mittelverteilung zugestanden wird. Inzwischen haben nach den Landessportverbänden und den Spitzensportverbänden auch die Trainer scharfe Kritik an dem Entwurf geäußert. Der Votwurf: Die seit langem geforderte Verbesserung der Trainersituation werde in dem Entwurf ignoriert. Was also lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt festhalten? Die beteiligten Parteien haben unterschiedliche – begründete – Auffassungen über zentrale Inhalte des Gesetzes. Doch ein Entgegenkommen ist zunächst nicht in Sicht. Es wäre ein Armutszeugnis, wenn es Bund und Sport abermals nicht schaffen, die Spitzensportreform voranzutreiben.

 

Alexander Dierke

 

Siegerin Gina LUECKENKEMPER (Lückenkemper)(SCC Berlin) Aktion, 100m Finale der Frauen, am 08.07.2023 Deutsche Leichtathl

Die Fragen bleiben

Köln, 12. Dezember

Liebe Leserinnen und Leser,
ein denkwürdiges Leichtathletik-Jahr geht zu Ende. 2023 bot einmal mehr großartige Wettkämpfe, reichlich Emotionen, begeisternde Persönlichkeiten, Sportler, die an ihre Grenzen gingen – und darüber hinweg. Aber eben aus deutscher Sicht auch einen neuen Tiefpunkt. Das historische WM-Debakel des DLV-Teams wird auch über den Jahreswechsel hinaus Thema bleiben, vor allem aber muss sich weiterhin mit der Frage beschäftigt werden, wie es der Verband und seine Athleten schaffen, den Anschluss an die Weltspitze wieder herzustellen. Es wurde im zurückliegenden Herbst mal mehr, mal weniger viel gesprochen, Konsequenzen vollzogen, deren Wirkungen oft genug in Frage gestellt wurden. Wo also ansetzen? Dem Thema Athletenförderung darf sicherlich eine besondere Bedeutung zugetragen werden, ebenso wie dem Umstand, dass viele durchaus talentierte Nachwuchsathleten bereits vor dem Übergang in den Aktivenbereich verloren werden. Es ist der Punkt, Kadernormen zu nennen: Darf es wirklich sein, dass Athleten wie Marathonläufer Hendrik Pfeiffer eine WM-Teilnahme absagen mussten, weil sonst die Gefahr bestanden hätte, aus dem Leistungskader zu fliegen? Und was sind die Gründe für eine solche Verletzungsmisere, wie sie die DLV-Mannschaft zuletzt erlebte? Die Baustellen sind groß, vor einem Jahr, das mit der EM und Olympia in Paris mit zwei echten Highlights auffährt. 2024 wäre ein guter Zeitpunkt, endlich wirksame Veränderungen einzuläuten.
Abschließend möchte ich mich nun aber für Ihr auch in diesem Jahr uns entgegengebrachtes Interesse an der Leichtathletik bedanken. Wir freuen uns bereits jetzt darauf, gemeinsam mit Ihnen in die kommende Saison zu starten!

Alexander Dierke

 

World Athletics Championships Budapest 23; Hungary, 19.08.2023 Sophie Weissenberg (GER) prepares for the 200 m of the wo

Legitime Diskussion

Köln, 28. November

Liebe Leserinnen und Leser,
der 16. November war ein Tag, welchem wohl ein Großteil der deutschen Sportwelt entgegengefiebert hat. Nicht etwa, weil an diesem Tag irgendein großer sportlicher Wettkampf auf dem Programm gestanden hätte, sondern weil an diesem Donnerstag im Spätherbst in Berlin durchaus richtungsweisende Entscheidungen zur Spitzensportförderung in Deutschland getroffen wurden. Mit einem positiven Ausgang für den deutschen Sport. Denn entgegen ursprünglich durch den Bund geplanter Mittelkürzungen von 303 Millionen auf 276 Millionen Euro wird der Spitzensport auch im Olympia-Jahr 2024 die zuletzt übliche finanzielle Unterstützung erfahren. Für die Leichtathletik bedeutet das für die Highlight-Saison mit EM und Olympischen Spielen einen Zuschuss von rund 10,5 Millionen Euro. Bei gut 100 Millionen Euro, welche in die olympischen Sportarten fließen, eine weiterhin stolze Summe, wenngleich der Deutsche Leichtathletik-Verband im Nachgang an die verkorkste WM in Budapest mehrfach eine deutliche Erhöhung der finanziellen Zuschüsse durch den Bund forderte. Dass die Mittel zwischenzeitlich gar vor einer Kürzung standen, kam im gesamten deutschen Sport nicht gut an. Und: Es ist gut, dass der Haushaltsausschuss des Bundestages sich noch einmal umentschieden hat. Dennoch finde ich es durchaus legitim, dass Kürzungen diskutiert wurden, speziell im Falle der Leichtathletik – werden die Mittel doch vor allem eingesetzt, um im Gegenzug auch sportliche Erfolge zu erzielen. Das geht seit Jahren (im deutschen Sport) kaum auf. Geld ist aber dennoch wichtig, insbesondere an der Basis und in Sachen Infrastruktur. Aber – wie heißt es im Fußball: „Geld alleine schießt keine Tore.“ Das gilt im übertragenen Sinne auch für die Leichtathletik.

 

Alexander Dierke

 

Carolin HINGST Deutschland Gestik Geste winkt winkend Qualifikation Stabhochsprung der Frauen

Was zählt?

Köln, 31. Oktober

Liebe Leserinnen und Leser,
was zeichnet die Leichtathletik und den Sport im Allgemeinen eigentlich aus? Sind es nicht in erster Linie persönliche Entwicklungen, Höhenflüge und Erfolge der Athleten, Punkte wie die Möglichkeit des Wettkampfvergleichs oder auch die Stärkung eines Gemeinschaftsgefühls? De facto sollte man für seine Sportart brennen, eine Leidenschaft inne haben, welche einen antreibt. Das sind Tribute, wie sie etwa Carolin Hingst ihre gesamte Karriere verfolgte – 25 Jahre hat die Stabhochspringerin die nationale Leichtathletik geprägt, ehe sie in der vergangenen Woche das Ende ihrer Laufbahn bekanntgegeben hat. Ist es eine Generationenfrage, ein Wandel in der Gesellschaft hin zu mehr Bequemlichkeit? Das mag man durchaus so sehen, doch das Beispiel Hingst zeigt, dass es um mehr geht als gesellschaftliche Entwicklungen.
In allererster Linie geht es um die Einstellung eines Athleten oder einer Athletin. Aber: Leidenschaft, die Liebe zum Sport Hin oder Her, der Überlebenskampf mancher Sportler im deutschen Leistungssport ist mitunter schwer. Speziell der Leichtathletik fehlt oft die finanzielle Lukrativität, die es nun mal benötigt, um sich die Traumkarriere im Sport auch leisten zu können. Sprinterin und Social-Media-Star Alica Schmidt brachte die Debatte jüngst neu ins Rollen, sprach von zu wenig finanzieller Unterstützung durch Verband, Sporthilfe und Vereine. Wer nicht etwa über die Bundeswehr oder Bundespolizei abgesichert ist, hat es mitunter hart. Dass Hendrik Pfeiffer erzählt, er habe sich einen Start bei der WM in Budapest schlicht nicht erlauben können, weil er bei den dortigen Bedingungen die Kader-Norm wohl nicht erreicht hätte, offenbart Schwachstellen. Über Veränderungen im System nachzudenken kann definitiv nicht schaden.

Alexander Dierke

 

Ein langer Weg

Köln, 10. Januar

Liebe Leserinnen und Leser,
„Es wird in Zukunft wieder besser, weil wir gute Talente haben“ – mit diesen Worten reagierte DLV-Präsident Jürgen Kessing auf das enttäuschende Abschneiden in Eugene. Lediglich zwei WM-Medaillen holte das deutsche Team damals – die Wettkämpfe in den USA wurden zum historischen Tiefpunkt. Ein Desaster, welches nur drei Wochen später bei der Heim-EM wieder ausgebügelt wurde. Große Erfolge des DLV-Teams bei den vergleichsweise schwächer besetzten Kontinentalwettkämpfen sorgten in der breiten Öffentlichkeit für reichlich positive Aufmerksamkeit, wie auch später die Krönung von Gina Lückenkemper und Niklas Kaul bei der Wahl zu „Deutschlands Sportlern des Jahres 2022“.

Doch die tiefergehenden Probleme im Verband kann das nicht vertuschen. Die deutsche Leichtathletik ist – mit wenigen Ausnahmen – gegen die Weltelite aktuell nicht mehr konkurrenzfähig. Zu groß ist der Abstand zur Spitze in den letzten Jahren geworden, zu halbherzig teilweise das Herangehen der Athleten an die Wettkämpfe. Nicht zuletzt darf aber vor allem die unzureichende Förderung der Nachwuchs- und Spitzensportler kritisiert werden.

Eine Analyse des vergangenen Jahres führte auch beim DLV zu einem klaren Urteil: Ein „Weiter so“ darf es nicht geben. Die Wiederbesetzung des Sportdirektor-Postens soll zur Initialzündung werden für eine Reform der Leistungssportstruktur – mit dem Ziel, bis Olympia 2028 einen Platz unter den Top Fünf der Nationenwertung zu erreichen. Doch von alleine einstellen wird sich ein solcher Erfolg nicht, es bedarf kritischen Handelns und umfassender Athleten-förderung. Damit es in Zukunft wirklich wieder besser wird.

 

Alexander Dierke