Tag : Weltrekord

PARIS, FRANCE - 4 AUGUST, 2024: MAHUCHIKH Yaroslava, High Jump, Olympic Games, Olympische Spiele, Olympia, OS 2024 PUBLI

Verdiente Sieger

Köln, 5. November

Liebe Leserinnen und Leser,
Jaroslawa Mahutschich und Armand Duplantis sind die europäischen Leichtathleten des Jahres. Die ukrainische Hochspringerin und der schwedische Stabhochspringer haben die Jury des Kontinentalverbandes European Athletics bei deren Betrachtung der Saison 2024 überzeugt. Und mal ehrlich: Das war nicht schwer! Selten habe ich in den letzten Jahren in der Leichtathletik eine solch große Dominanz erlebt, wie die beiden Höhenflieger sie in den zurückliegenden Monaten ausgestrahlt und hingelegt haben. Gewiss, beide sind keine Neulinge mehr – trotzt ihres noch immer jungen Alters von gerade einmal 23 (Mahutschich) beziehungsweise 24 (Duplantis) Jahren. Doch bei den sportlichen Highlights anno 2024 haben sie der Konkurrenz schlicht keine Chance gelassen: Beide haben den EM-Titel gewonnen, aus Paris eine olympische Goldmedaille entführt und zum Abschluss auch noch den Gesamtsieg in der Diamond League errungen. Ganz schön eindrucksvoll? Na ja! Denn die zwei Protagonisten haben natürlich noch viel mehr zu bieten gehabt: Ganze drei Weltrekorde an der Zahl hat Armand Duplantis in diesem Jahr aufgestellt. Die zehn besten Sprünge aller Zeiten gehen nun auf das Konto des Ausnahmekönners, der seit Sommer 2023 keinen Wettkampf mehr verloren hat. Perfekter als den Olympiasieg mit einem (inzwischen von ihm geknackten) Weltrekord von 6,25 Metern zu besiegeln, hätte es für ihn kaum laufen können. Paris ist diese Saison schlicht ein gutes Pflaster gewesen. Denn hier trumpft auch Mahutschich auf – wenngleich ihr ergebnistechnisches Highlight gut einen Monat vor Olympia ansteht: Beim Diamond-League-Meeting knackt sie den seit 1987 bestehenden Hochsprung-Weltrekord der Bulgarin Stefka Kostadinowa. 2,10 Meter sind in Relation eine gleichermaßen imponierende Leistung, wenngleich Mahutschich sich im Hochsprung – anders als Duplantis im Stabhochsprung – noch halbwegs einer Konkurrenz ausgesetzt sieht. Bleibt die spannende Frage, wohin es für beide Athleten in Zukunft noch gehen kann. Und vor allem: wie hoch hinaus?

 

Alexander Dierke

Running: Chicago Marathon Oct 13, 2024; Chicago, IL, USA; Ruth Chepngetich of Kenya finishes first in the women’s race,

Sportliche Mondlandung

Köln, 22. Oktober

Liebe Leserinnen und Leser,
als Chicago – die Metropole des Mittleren Westens – Mitte Oktober in das Zentrum der Aufmerksamkeit rückt, hat das ausnahmsweise mal nichts mit dem US-Wahlkampf zu tun. Für einen kurzen Moment sind weder ein TV-Interview der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris mit dem Haussender (Fox) ihres Kontrahenten Donald Trump noch eine wenige Tage später stattfindende Wahlkampf-Farce eben jenes Republikaners in einer Fast- Food-Kette Gesprächsstoff Nummer eins. Die Schlagzeilen schlagen dennoch hohe Wellen, die Dimensionen, in denen sich bewegt wird, reichen sogar hin bis zu einer Mondlandung. Einer sportlichen wohlgemerkt: Als die Kenianerin Ruth Chepngetich beim Chicago Marathon die rotgefärbte Ziellinie überquert, ist die Sport-Welt eine andere. 2:09:56 Stunden leuchten über ihr auf dem Zielbogen auf. Eine Fabelzeit, von der man noch am Morgen dachte, dass diese niemals würde möglich sein. Schlicht zu exzellent ist dieses Resultat, das vergleichbar ist mit einer Männer-Zeit von unter zwei Stunden. Der Tod der Leichtathletik? So zumindest reagiert der irische Mittelstreckler Stephen Kerr auf die Leistungsexplosion der 30-Jährigen. Um fast viereinhalb Minuten hat Chepngetich ihre vorherige Bestzeit verbessert, im Vergleich zum erst 2023 durch die Äthiopierin Tigist Assefa aufgestellten Weltrekord stoppen die Uhren in der Stadt am Lake Michigan beinahe zwei Minuten früher. „Es ist fast so, als würde man jemanden auf dem Mond landen sehen“, beschreibt die ehemalige US-Mittelstrecklerin Carrie Tollefson das Ausmaß einer real gewordenen Utopie. Kann nicht mehr mithalten, wer sauber ist? Chepngetich hat sich bislang nichts zuschulden kommen lassen. Aber Zweifel kommen durchaus auf, nicht zuletzt wird die Athletin durch Federico Rosa betreut – zwei ehemalige Sprösslinge von ihm wurden in der Vergangenheit des Dopings überführt. Hinzu kommt das allgemeine Doping-Problem in Kenia. Zumal der dortigen Nationalen Anti-Doping-Agentur die finanziellen Mittel unlängst drastisch gekürzt wurden. Aber: Eine Sportart entwickelt sich auch weiter – Training und Ausstattung (Stichwort Carbon-Schuhe) sind heute ein anderes als noch vor 20 Jahren. Genau hinschauen lohnt sich definitiv – das gilt für den US-Wahlkampf wie auch sportliche Fabelleistungen an der Grenze des Möglichen.

 

Alexander Dierke

Chicago Marathon

Rekord und Rückkehr

Köln, 10. Oktober

Liebe Leserinnen und Leser,
was war das für ein packender Marathon in Chicago. Nachdem vor zwei Wochen bei den Frauen Tigst Assefa ein neuer Weltrekord gelang, tat es ihr Kelvin Kiptum in der US-Metropole nun gleich. Der Kenianer ist der erste Mensch, der die Marke von 2:01 Stunden unterbieten konnte – und sorgt mit seiner Bestmarke für reichlich Gesprächsstoff. Zum einen ob seiner Fabelzeit, aber zum anderen auch, weil eben solche Resultate die Frage aufkommen lassen, inwiefern ein Sportler solche Ergebnisse tatsächlich (ohne Hilfsmittel) erzielen kann.
Unverändert ist das Ziel des deutschen Mittel- und Langstrecken-Asses Konstanze Klosterhalfen, endlich wieder mit voller Fitness auf die Laufbahn zurück zu kehren. Seit Anfang des Jahres plagt „Koko“ eine Fußverletzung, welche sie den Großteil der zurückliegenden Saison zum Zuschauen verdammte. Im Rahmen eines Events ihres Ausrüsters konnte ich mit ihr beim Köln Marathon über ihren langwierigen Weg zurück sprechen und dabei vor allem eines feststellen: Die positive Ausstrahlung hat Klosterhalfen nicht verloren, auch wenn sie ihrer großen Leidenschaft im Moment nicht nachgehen kann. Nichts überstürzen mit einem möglichen Comeback lautet ihre Devise. Und das ist auch gut so, schließlich stehen auch für sie mit der EM und den Olympischen Spiele im kommenden Jahr zwei große Highlights an. Und wo, wenn nicht dort, würden wir alle sie am liebsten wieder jubeln sehen.

Alexander Dierke

 

TOPSHOT-ATHLETICS-EUR-2022

Zahlenspiele

Köln, 11. Oktober

Liebe Leserinnen und Leser,
der Sommer hatte ja seine zwei Gesichter. Wie die Wetterlagen wechselte auch das Klima in der Leichtathletik-Stimmung zügig. Waren bei den Weltmeisterschaften in Eugene die Leistungen der deutschen Athleten insgesamt eher bescheiden – Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel –, sodass man nicht recht wusste, ob es sich um mangelnden Wettbewerbswillen oder mangelnde Klasse handelte, wendete sich das Blatt nur wenige Wochen später: Das Auftreten der nationalen Leichtathletik-Elite bei den Europameisterschaften in München erzeugte positive bis euphorische Meldungen. Im kontinentalen Vergleich konnte viel Renommee zurückgewonnen werden. Bei unserem Power-Ranking auf Seite 4 bis 7 schrumpfen wir nun den Vergleich der Athleten noch einmal zusammen und bilden eine reine Gewichtung deutscher Sportler untereinander ab, weiten den Blick aber insofern, als dass wir interdisziplinär vorgehen. Wie das Ranking nach Zahlen funktioniert, wird dort erläutert. Und natürlich: „Harte“ Zahlen sprechen eine reine Leistungssprache, die hinterher in Summen gemeißelt scheint. Aber auch softe Ziffern fließen ein – bezüglich der Strahlkraft der Leichtathleten in ihrem Sport und über diesen hinaus. Insofern spiegelt sich in ihm ein wenig die gesellschaftliche Relevanz der Leichtathletik. Sie als Leserin und Leser mögen unseren Zahlen nun folgen oder diese bezweifeln. Eines sollten Sie sich aber nicht nehmen lassen: Ihr Vergnügen an der Bewertung.

Korrektur zur Ausgabe 40:
Eliud Kipchoge ist natürlich Kenianer, und auch bei den Weltrekorden haben sich Fehler eingeschlichen. Den Vergleich der aktuell weltbesten Athletinnen mit bestehenden Weltrekordhalterinnen finden Sie korrigiert auf Seite 3. Wir bitten um Entschuldigung.

 

Frank Schwantes Portrait

Frank Schwantes

 

Legende trifft Gegenwart

Köln, 4. Oktober

Liebe Leserinnen und Leser,
Eliud Kipchoge schrieb in Berlin Geschichte, und dies erneut. Heißt, er überschrieb seine eigene Geschichte und trägt sich nicht nur erneut als Sieger über die 42,195 Kilometer auf der schnellen Strecke Berlins in die Bücher ein, sondern er lief – man ist geneigt, legendenhaft zu sagen – einen neuen Weltrekord, der seinen zuvor errannten Weltrekord nun regelrecht pulverisiert. Ist damit ein Ende der Rekordjagd von Kipchoge absehbar?

Sicher, die Zwei-Stunden-Marke rückt immer näher, und nach der Zahlenmagie wäre das ein großes, erhabenes Ziel, die Eins vor dem Komma zu sehen, zu Leb- zeiten, endlich … So lautet vielleicht die euphorisierte Hoffnung mancher Betrachter. Doch hegt Eliud Kipchoge selbst diesen Traum? Er selbst, danach gefragt, meinte, er denke nur Schritt für Schritt, Rennen für Rennen. Und um diese bestmöglich zu gestalten und zu absolvieren, gehe es nur jeweils um die kommende Marathonstrecke. Aber was heißt das?

Ist eine Zeit das Ziel? Vermutlich auch. Doch ein Lauf stellt Athleten ja vor ganz andere Herausforderungen. Die Leistung wird eingeteilt in Kräftevermögen und Zeitabschnitte, die Einteilung der eigenen Power wird wie in der Dramaturgie abschnittweise an ihr Limit gebracht. Und genau dies ist vielleicht ein Ausdruck dafür, worum es ihm geht. Der Äthiopier scheint eben weniger an das ganz große Ziel zu denken, sondern sich eher hin zu den Zeiten, Schritt für Schritt, zu entwickeln. Insofern könnte man dies als Aufgabe eines jeden betrachten: Es ist immer gut, nicht zu weit vorauszublicken und jede kommende Aufgabe als die wichtigste zu betrachten.

 

Jonas Giesenhagen