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Teil 1: Interview Caro Schäfer

Bild: Getty Images

Teil 1: Caro Schäfer im Exklusiv-Interview

Köln, 1. September 2016

Insgesamt war die Stimmung aufgrund des eher schwachen Abschneidens der deutschen Leichtathleten in Rio getrübt. Doch es gab auch aus deutscher Sicht einige olympische Lichtblicke. Für den ersten hatte Siebenkämpferin Carolin Schäfer (TV Friedrichstein) gesorgt – und blickt im Gespräch mit Leichtathletik noch einmal zurück.

Carolin Schäfer, wie viele Glückwünsche durften Sie nach Ihrem fünften Platz im Siebenkampf bei den Olympischen Spielen schon entgegennehmen?

Vor Ort in Rio schon eine ganze Menge, vor allem vom Team, da wir natürlich auch einen gewissen Zusammenhalt haben. Da ich erst seit Mittwoch (Anm. d. Red.: Mittwoch letzter Woche) wieder in Deutschland bin, waren es bislang noch nicht so viele. Ich habe mich erst einmal vom ganzen Trubel abgegrenzt, weil ich den Erfolg als erstes mit meinem Umfeld feiern wollte. Die Menschen, mit denen ich mir diesen Erfolg gemeinsam erarbeitet habe, haben Vorrang. Demzufolge habe ich bislang noch relativ wenig Hände geschüttelt (lacht).

In Rio haben Sie neue Bestleistungen über 100 Meter Hürden (13,12 sec) und im Kugelstoßen (14,57 m) erreicht und mit 23,99 Sekunden über 200 Meter eigentlich nur eine Disziplin gehabt, die nicht ganz nach Plan verlief. Am Ende fehlten mit 6.540 Punkten nur 18 Punkte zur neuen persönlichen Bestleistung. Rang fünf war außerdem Ihre beste Platzierung bei einem internationalen Großereignis. Was war in Rio ihr persönlicher Schlüssel zum Erfolg?

Ich bin mit unglaublich viel Sicherheit und Selbstbewusstsein nach Rio geflogen, weil ich in Götzis und in Ratingen zwei Qualifikationswettkämpfe auf hohem Niveau gezeigt hatte. Ich wusste auch, dass ich mit schlechten Bedingungen umgehen kann – denn wer in Ratingen dabei war, hat gesehen, dass die Bedingungen dort alles andere als gut waren. Demzufolge hatte ich sehr viel Sicherheit und wusste, dass ich mich auf jeden Fall auf dem Niveau von 6.500 Punkten bewege. Natürlich ist das Abschneiden auch von den Rahmenbedingungen vor Ort abhängig, die in Rio nicht so einfach waren. Hinten raus hat mir der Zeitplan ein wenig das Genick gebrochen. Es war wesentlich schwieriger, mit Pausen von sieben bis acht Stunden zwischen den Disziplinen umzugehen, da in den Qualifikationswettkämpfen alles Schlag auf Schlag kam. Wir sind zwischendurch auch mal zurück ins Olympische Dorf gefahren, um die Zeit sinnvoll zu nutzen, beispielsweise um noch mal zu schlafen. Der Schlüssel für mich war definitiv mein Selbstvertrauen. Ich wollte außerdem einfach wissen, wo ich im weltweiten Vergleich stehe.

Nach den Spielen konnte man viel über die schwierigen Bedingungen vor Ort lesen, Kritik an schlechten organisatorischen Abläufen wurde ebenso laut wie die an den hygienischen Standards. Wie war Ihr persönlicher Eindruck?

Ich habe natürlich keine Vergleichsmöglichkeiten, da es meine ersten Olympischen Spiele waren. Der Wettkampf an sich war für mich auf jeden Fall olympisch. Dort habe ich dieses gewisse Flair gespürt. Alles drumherum hat mich eher an eine U20-WM erinnert. Das bewerte ich aber nicht unbedingt negativ. Die Rahmenbedingungen waren schlicht, und ich war froh, dass ich solche Erfahrungen schon im Jugendbereich gemacht habe. Natürlich habe ich mir bei Olympischen Spielen einen höheren Standard erhofft, aber es waren Bedingungen, mit denen ich arbeiten konnte. Es war nicht alles optimal, aber ehrlich gesagt bin ich aus der Jugend Schlimmeres gewohnt. (lacht)

Stand beim Wettkampf immer nur der nächste Versuch, die nächste Disziplin im Mittelpunkt Ihrer Gedanken, oder haben Sie zwischendurch auch über mögliche Gesamtplatzierungen, möglicherweise auch über eine Medaille nachgedacht?

Ich habe mich in den Pausen immer voll auf die nächste Disziplin fokussiert und bin jede Disziplin so angegangen, als wäre es die einzige. Nach dem ersten Tag habe ich aber natürlich aufs Tableau geschaut, allerdings weil ich wissen wollte, wie weit ich von meiner Bestleistung entfernt bin beziehungsweise um zu sehen, ob ich noch im Soll bin. Klar denkt man in den großen Pausen auch mal: „Was wäre, wenn …“, und spricht auch darüber. Insgesamt habe ich das aber die meiste Zeit über weit von mir weggeschoben. Ich wusste, dass ich zunächst einmal gescheit Speerwerfen muss, danach konnten wir dann darüber diskutieren, was ich über 800 Meter für eine Punktzahl für welche Platzierung laufen muss. Auf diese Art haben wir unseren Stiefel über den gesamten Wettkampf durchgezogen.

Interview: Daniel Becker

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Morgen: Teil 2 des Interviews