Köln, 22. August 2016
Ach ja. Was habe ich mich über den Olympiasieg von Ruth Beitia in der Hochsprung-Konkurrenz gefreut (nicht zuletzt weil ich in unserem internen Redaktions-Olympiasieger-Tippspiel auf die Spaniern gesetzt hatte). Ich gönne ihr den Triumph von Herzen. Das ist schon klasse, was die Dame da in diesem Jahr abgeliefert hat. In Amsterdam wurde sie bereits Europameisterin – ihr dritter kontinentaler Titel in Folge. Und nun, im Herbst ihrer Karriere, mit 37 Jahren ist sie im Olymp angekommen.
Vor vier Jahren, damals 33 Jahre alt, da hätte schon Schluss sein können. Beitia, mit übersprungenen 2,00 Metern „nur“ Vierte von London, hatte ihren sportlichen Karriere-Rücktritt im Anschluss an London bereits bekannt gegeben. Doch Freunde und Trainer rieten ihr, weiter zu machen. Es folgte der Rücktritt vom Rücktritt. Und Beitia sprang besser denn je zuvor – immer den olympischen Medaillentraum fest im Blick. Die beliebte Spanierin biss sich durch und erntete in Rio nun die Früchte ihrer Arbeit. Bei ihren vierten Spielen landete sie nach Platz 16 in Athen, Platz 9 in Peking und Platz 4 in London erstmals auf dem Podest, und dann gleich ganz oben. „Mein Traum wurde Realität“, sagte Beitia ungläubig.
Sie ist die älteste Hochsprung-Olympiasiegerin aller Zeiten und stieß in die Sphären der legendäre Heike Drechsler vor, die mit 36 Jahren Weitsprung-Gold in Sydney abgriff. Eigentlich ist zu erwarten, dass Beitia nach dem größten Erfolg ihrer Laufbahn nun die Spikes an den Nagel hängt. Wenn’s am schönsten ist und so… Doch bisher macht die in Santander geborene Springerin keine Anstalten. Ans Aufhören scheint sie nicht zu denken. Warum auch? Es läuft einfach momentan. „Natürlich bin ich sehr stolz, bis hierhin weitergemacht zu haben. Trotz meines Alters empfinde ich großen Enthusiasmus und Glückseligkeit“, so Beitia. Zur Vollständigkeit sei aber gesagt: übersprungene 1,97 Meter genügten dank der Fehlversuch-Regel zu Gold. Zuletzt siegte bei Olympia 1980 eine Springerin mit einer Höhe unter zwei Metern.
Nicht auszumalen was geschehen wäre, wenn die beiden Russinnen Anna Chicherova (Olympiasiegerin von 2012) und Mariya Kuchina (Weltmeisterin von 2015) in Rio am Start gewesen wären. Dann hätte es diesen einzigartigen, historischen Erfolg für diese (hoffentlich) saubere Sportlerin womöglich nie gegeben.
Tim Kullmann