Author : redaktion

230820 Noah Lyles of USA celebrates after winning men™s 100 meter final during day 2 of the 2023 World Athletics Champio

Überraschungen erwünscht

Köln, 22. August

Liebe Leserinnen und Leser,
die WM ist in vollem Gange und lieferte an den ersten drei Wettkampftagen bereits so manche hochkarätige Entscheidungen. Pünktlich vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe stand am Montagabend noch das heiß erwartete 100-Meter-Finale der Frauen an. Bereits zuvor waren die Augen aus deutscher Sicht im Halbfinale auf Gina Lückenkemper gerichtet, groß war ihr Traum vom ersten WM-Finale. Ein Unterfangen, welches mit einer Zeit von 11,18 Sekunden nicht aufgehen sollte. Durchaus schade, besaß die Berlinerin ob ihrer bislang starken Saison im Vorfeld die Chance dazu. Im Finale sorgte dann wiederum die US-Amerikanerin Sha’Carri Richardson mit einer fulminanten Leistung (10,65 s) für einen überraschenden Sieg. Es war bereits die fünfte Goldmedaille für die USA bei der noch jungen WM, beeindruckend waren zuvor etwa auch die Leistungen von Sprinter Noah Lyles und Kugelstoßer Ryan Crouser. Es ist abermals ein starkes Bild, welches das Standing der Vereinigten Staaten in der Weltelite untermauert, die bereits in Eugene das medaillenstärkste Team gestellt hatten.
Die deutsche Equipe steht hingegen bislang noch ohne Edelmetall da. Sicher, das war irgendwo zu erwarten, und doch hofft man auf die ein oder andere Überraschung. Lichtblicke lieferten vor allem aber Geher Christopher Linke und Siebenkämpferin Sophie Weißenberg. Ganz unabhängig davon gilt das übrigens gauch für die Stimmung vor Ort: Ausverkaufte Ränge in Budapest sorgen für ein würdiges Bild.
Das DLV-Team muss indes nun liefern, sonst droht tatsächlich die zweite enttäuschende WM in Folge. Aber wer weiß, vielleicht haben – wenn Sie die neue Leichtathletik-Ausgabe in den Händen halten – die Diskuswerferinnen und Hochspringer Tobias Potye ja für erstes deutsches Edelmetall gesorgt. Ich würde es mir wünschen.

Alexander Dierke

 

European Championships Munich 2022, Europa Leichtathletikmeisterschaften München 2022, 12.08-21.08.2022, Olympiastadion

Letzter Feinschliff

Köln, 15. August

Liebe Leserinnen und Leser,
es ist soweit: Die Weltmeisterschaften in Budapest stehen unmittelbar bevor. Ab dem 19. August kämpfen die besten Athleten in der ungarischen Hauptstadt neun Tage lang um Edelmetall, ums Prestige und um die Erfüllung persönlicher Träume. Das gilt für unsere DLV-Athleten wie auch die internationalen Top-Stars. So eine WM bedeutet aber im Vorfeld auch immer Arbeit – für uns Journalisten und allen voran für die Athleten. Wir für unseren Teil haben in den vergangenen Tagen intensiv an dieser Vorschau-Ausgabe gearbeitet, auf insgesamt 13 Seiten versorgen wir Sie mit allen wichtigen Infos, die im Vorfeld der globalen Titelkämpfe wissenswert sind. Im Mittelpunkt stehen dabei natürlich besagte Sportler, für die es in den vergangenen Tagen galt, sich noch einmal intensiv auf die anstehenden Wettkämpfe vorzubereiten. Der DLV hat im Rahmen dessen sein Pre-Camp abermals in Erding aufgeschlagen, unter optimalen Bedingungen soll dort der letzte Feinschliff gelingen. Schließlich sind die Erwartungen der Öffentlichkeit nach der enttäuschenden WM im Vorjahr hoch, die Ausgangslage ist nicht zuletzt aufgrund der hohen Anzahl verletzter Athleten gedämpft. Chef-Bundestrainerin Annett Stein blickt den Meisterschaften dennoch optimistisch entgegen und ist mit ihren gewonnenen Trainingseindrücken zufrieden, wie sie uns im exklusiven Interview verraten hat.
Bleibt abschließend noch zu sagen, dass ich mich freue, dass wir in Person meines Kollegen Ewald Walker auch in diesem Jahr bei der WM wieder persönlich vor Ort vertreten sein werden. Aber jetzt ist die Vorfreude erstmal groß, dass es endlich los geht!

Alexander Dierke

 

Siegerin Gina LUECKENKEMPER (Lückenkemper)(SCC Berlin) Aktion, 100m Finale der Frauen, am 08.07.2023 Deutsche Leichtathl

Fragen über Fragen

Köln, 8. August

Liebe Leserinnen und Leser,
das deutsche Aufgebot für die Weltmeisterschaften in Budapest steht: 75 Athletinnen und Athleten gehören dem endgültigen Team an, welches der DLV am Montagnachmittag bekanntgegeben hat. Aus diesem herausstechen tun natürlich jene Lückenkempers und Kauls, die bereits im Nachgang der Deutschen Meisterschaften nominiert wurden. Doch, da geht es Ihnen sicherlich ähnlich wie mir und der gesamten Leichtathletik-Redaktion, der 7. August war ein Tag, dem man seit Wochen entgegengefiebert hat. Denn es gab durchaus noch so manche Fragezeichen, was die letzten Berufungen anbelangte: Wie würde die Situation bei Langstrecklerin Konstanze Klosterhalfen aussehen? Welche Newcomer würden ihr Flugticket für die am 19. August beginnenden Titelkämpfe buchen können? Die Antworten auf diese Fragen hat der Verband nun geliefert – „Koko“ ist bei der WM dabei, ebenso wie etwa Stabhochspringer Gillian Ladwig und Hindernisläuferin Olivia Gürth. Aber, und das ist natürlich längst kein Geheimnis mehr, es fehlen verletzungsbedingt auch zahlreiche Top-Athleten in der deutschen WM-Mannschaft. Ungefähr 20 Sportler umfasst dieses Lazarett, schmerzlich vermisst wird allen voran Weitsprung-Queen Malaika Mihambo. Das wirft bei mir tiefergehende Fragen auf: Was sind die Gründe für die zahlreichen Ausfälle, sind die Athleten womöglich überlastet, werden falsche Trainingsmethoden angewandt? Eine Materie, mit der sich in den nächsten Wochen einmal beschäftigt werden sollte. Besonders, falls die schwarz-rot-goldenen-Fahnen in Budapest ein weiteres Mal in der Versenkung verschwunden bleiben.
Blicken wir abschließend noch mal kurz auf einen WM-Hoffnungsträger: Speerwerfer Julian Weber. Was die Gründe dafür sind, dass es bei ihm derzeit so gut läuft, lesen Sie in unserem exklusiven Interview.

Alexander Dierke

 

Team Europameisterschaften 2023

Persönliche Einblicke

Köln, 1. August

Liebe Leserinnen und Leser,
wie tickt eigentlich eine der größten derzeitigen Medaillenhoffnungen im DLV-Team? Und wie am besten umgehen mit dem dementsprechend geäußerten Erwartungsdruck der Öffentlichkeit? Fragen, die mich persönlich bei einer deutschen Athletin aktuell ganz besonders interessiert haben: Kristin Pudenz. Die Athletin des SC Potsdam besticht nicht nur mit ihrer Weltklasse im Diskuswurf, sondern darüber hinaus auch mit ihrer sympathischen Art abseits des Sports. Im exklusiven Interview hat uns die 30-Jährige Einblicke in ihren Entwicklungsprozess als Spitzensportlerin gewährt und scheint für die Titelkämpfe in Budapest mehr als gewachsen. Nicht nur hat Pudenz in der Aufarbeitung ihrer enttäuschenden Final-Platzierung (Rang elf) im vergangenen Jahr in Eugene gelernt, mit Niederlagen umzugehen, sondern diese vielmehr ins Positive umzumünzen. In dieser Saison könnten die Vorzeichen für eine Medaille bei der fünfmaligen Deutschen Meisterin kaum besser sein. Das gilt bekanntlich leider derzeit für die meisten deutschen Disziplinen nicht, vor allem die Attraktivität der Leichtathletik müsse für junge Athleten wieder gesteigert werden, teilt Pudenz auch dazu ihre Gedanken.
In Budapest wird sich in knapp zweieinhalb Wochen mit aller Deutlichkeit zeigen, wo die deutschen Athleten derzeit tatsachlich stehen. Der Oualifikationszeitraum dafür endete am 30. Juli, in den kommenden Tagen wird der DLV die letzten WM-Fahrer nominieren Dahei sein werden dann neben Pudenz auch Diskus-Kollegin Claudine Vita und Stabhochspringer Oleg Zernikel – beide sicherten sich das begehrte Ticket mit ihren Auftritten bei den True Athletes Classics in Leverkusen.

Alexander Dierke

 

08.07.2023 xkhx Kassel Auestadion Hessischer Leichtathletik-Verband Deutsche Leichtathletik-Meisterschaften 2023 200 m F

Turbulente Wochen

Köln, 25. Juli

Liebe Leserinnen und Leser,
die Deutschen Meisterschaften stehen in den Büchern. Zwei Wochen sind seit den Titelkämpfen in Kassel bereits vergangen, die Zeit bis zur WM scheint – so kommt es zumindest mir vor – regelrecht zu verfliegen. Eine Zeit, die zum einen gefüllt ist mit der Vorfreude auf das Saison-Highlight in Budapest, aber zum anderen auch dazu verpflichtet, sich einmal kritisch mit der aktuellen Lage in der deutschen Leichtathletik auseinanderzusetzen. Eine der Grundlagen für eine ebensolche Bestands- aufnahme bot das Abschneiden der Athleten bei den „Finals“. Die Erkenntnis: Die Leistungen der meisten deutschen Athleten sind im Vergleich mit der Weltelite nicht ausreichend. Und damit nicht genug: Die Verletzung von Malaika Mihambo stellte sich mit einem Muskelfaserriss doch als schwerwiegender heraus – für das Weitsprung-Ass ist die WM-Saison damit gelaufen. Eine Hiobsbotschaft für sie selbst sowie die gesamte deutsche Leichtathletik. Die Athletin, die es in den letzten Jahren als Titelgarantin so oft für den DLV gerichtet hat, kann eben das dieses Mal nicht tun. Bitter, wenn man zudem notieren muss, dass nach Lisa Mayer nun auch Alexandra Burghardt die WM verletzungsbedingt absagen musste – eine Wiederholung der bronzenen Staffel-Medaille der Frauen aus Eugene scheint somit ebenfalls ausgeschlossen. Es ist kein überhartes Urteil, wenn man prophezeit, dass sich das historisch schlechte Abschneiden aus dem Vorjahr in Budapest in ähnlicher Form wiederholen könnte. Dem muss sich auch der DLV bewusst werden. Aber alles ist natürlich auch nicht schlecht: Kristin Pudenz, Julian Weber, Niklas Kaul und Leo Neugebauer besitzen das Potenzial, uns alle doch positiv zu überraschen.

Alexander Dierke

 

GER, Leichtathletik, Athletics, Deutsche Meisterschaften, 08.07.2023, Kristin Pudenz (SC Potsdam, 83), Diskuswurf Frauen

Gemischtes Urteil

Köln, 11. Juli

Liebe Leserinnen und Leser,
was waren das für heiße Tage im Kasseler Auestadion. Nicht nur klimatisch, sondern auch, was die sportlichen Entscheidungen um die Deutschen Meistertitel anbelangte. Aber mal der Reihe nach. Schwülwarme Bedingungen mit Temperaturen um die 35 Grad Celsius machten den Athleten am gesamten Wochenende der „Finals“ zu schaffen. Besonders in Disziplinen wie den 5.000 Meter durfte man sich durchaus die Frage stellen, wie sinnvoll die Austragung sportlicher Wettkämpfe unter diesen Umständen ist. Die Sportler machten daraus keinen großen Hehl, wenngleich eine Vielzahl von ihnen zumindest witterungsbedingt zusätzliche Schwierigkeiten ausmachte. Umso bemerkenswerter war etwa der Doppel-Triumph von Lea Meyer. Die Spezialistin über 3.000-Meter-Hindernis ging auch über 5.000 Meter an den Start – und holte über beide Distanzen den Meistertitel. Eine weitere beachtliche Geschichte lieferte 200-Meter-Sprinter Joshua Hartmann: In 20,02 Sekunden lief er neuen deutschen Rekord. Es war einer der Momente schlechthin. Ansonsten kam man bei Betrachtung der Medaillenentscheidungen in insgesamt 34 Disziplinen – das Edelmetall im Stabhochsprung wurde bekanntlich in Düsseldorf vergeben – jedoch zu einem gemischten Urteil. Auf der einen Seite war es beeindruckend zu sehen, wie formstark etwa Speerwerfer Julian Weber und Diskuswerferin Kristin Pudenz aktuell unterwegs sind. Für beide wird eine Medaille bei der WM somit fast zur Pflichtaufgabe. Dahinter sieht die Lage anders aus: Mihambo meldete sich im Auestadion zwar leistungsmäßig endgültig zurück, verletzte sich dabei jedoch auch – bleibt abzuwarten, wie es um die Weltmeisterin steht. Ein möglicher Ausfall wäre mehr als bitter. Denn bei aller Euphorie: Die Leistungen in den übrigen als den drei genannten Disziplinen waren nicht ausreichend, um in Budapest Medaillen zu holen.

Alexander Dierke

 

25. Internationales Leichtathletikmeeting ANHALT 2023; Dessau, 17.06.2023 Bei der Startvorbereitung: Gina Lueckenkemper

DM als Bewährungsprobe

Köln, 4. Juli

Liebe Leserinnen und Leser,
es ist angerichtet: die Deutschen Meisterschaften stehen just in den Startlöchern. Bereits am Donnerstag und Freitag machen die Stabhochspringer in Düsseldorf im Rahmen der „Finals 2023“ den Auftakt, bevor dann am Wochenende in Kassel noch insgesamt 34 Medaillenentscheide anstehen. Dabei sind auch so manche Newcomer und Talente, die am vergangenen Wochenende bereits bei der U23-DM ordentlich abgeräumt haben – etwa Weitspringerin Mikaelle Assani und Hindernisläuferin Olivia Gürth. Beide besitzen nun auch bei den Aktiven gute Chancen auf Edelmetall. Ohnehin dürfen wir Fans uns in Hessen auf die geballte Ladung deutsche Spitzenleichtathletik freuen. Denn für die Athleten geht es neben den Meistertiteln besonders auch um die Tickets für die WM in Budapest. Nur noch knapp sechs Wochen sind es bis zum Jahreshighlight, und so ist Kassel für die DLV-Asse um Gina Lückenkemper, Malaika Mihambo und Julian Weber eine echte Bewährungsprobe. Und auch so manche Rückkehrer wie Speerwerfer Johannes Vetter und Stabhochspringer Torben Blech wollen ihre Ambitionen bei der DM unter Beweis stellen.
Die Zeit des „Ausruhens“ ist ohnehin vorbei – ab nun lässt sich die Devise so klar wie einfach zusammenfassen: Jetzt zählt‘s! Nach der ordentlichen Team-EM sind wir also gespannt, wo der DLV mit seinen Sportlern leistungstechnisch steht. Persönliche Erfolgsmärchen, Bestleistungen und Rekorde können immer für positive Schlagzeilen sorgen und sind letztlich das, worum es den Athleten und uns Fans geht: um die Liebe zum Sport und zur Leichtathletik. Zu sehen sein wird die DM zu großen Teilen im TV bei ARD und ZDF oder aber natürlich live vor Ort im Stadion. Freuen wir uns also auf das erste große Highlight und heiße Duelle um die DM-Titel.

Alexander Dierke

 

Team EM 2023 705	 GER HUSSONG Christin 60.05 *** Team EM 2023 705 GER HUSSONG Christin 60 05 Copyright: xBEAUTIFULxSPORT

Richtungsweisende Wochen

Köln, 27. Juni

Liebe Leserinnen und Leser,
der Wettkampfkalender dieser Tage ist eng getaktet. Am vergangenen Wochenende starteten potenzielle WM-Kandidaten, aufstrebende Nachwuchsathleten und so manches neue Gesicht für den DLV bei der Team-EM im polnischen Chorzow. Das Resultat des kontinentalen Vergleichs? Deutschland stellt auf dem Papier die drittbeste Mannschaft Europas. Das ist zunächst gegen internationale Konkurrenz eine positive Nachricht. Die DLV-Delegation kann mithalten: Diskus-Ass Kristin Pudenz und der Speerwurf-Europameister Julian Weber holten in ihren Disziplinen Einzelsiege, dazu präsentieren sich auch Talente wie Luis Oberbeck (internationales Debüt) ordentlich. Es ist dennoch nur ein erster Zwischenschritt mit bedingter Bedeutung. Längst nicht alle Top-Athleten waren in Polen dabei, das gilt für das DLV-Team wie für die übrigen Mannschaften. Europäisch standen die deutschen Athleten zudem auch im letzten Jahr gut da. Was in der Endabrechnung zählt, sind die Weltmeisterschaften – eine Einschätzung, die auch der Verband teilt. Und dennoch ist die Medaille besonders im Sinne des Mannschaftsgedanken nennenswert.
Um Edelmetall im Einzel wird es hingegen bereits am kommenden Wochenende wieder gehen: Am 1. und 2. Juli treffen die deutschen Hoffnungen der Zukunft aufeinander und fighten in Göttingen um die deutschen Meistertitel in der U23-Altersklasse. Manch einer der Protagonisten ist längst auch bereits im Aktivenbereich vertreten, etwa Steven Richter, und könnte dann nur eine Woche später in Kassel bei den Deutschen Meisterschaften erneut um nationale Titel kämpfen. Freuen wir uns also auf richtungsweisende Auftritte der Athleten!

Alexander Dierke

 

Track and Field: NCAA, College League, USA Championships Jun 8, 2023; Austin, TX, USA; Leo Neugebauer of Texas celebrate

Ein echter Glücksfall

Köln, 20. Juni

Liebe Leserinnen und Leser,
elf deutsche Zehnkampf-Rekordler hat die deutsche Leichtathletik in ihrer Historie seit 1910 bisher erlebt. Es sind Namen wie Kurt Bendlin und Guido Kratschmer, welche die Disziplin rekordtechnisch prägten. Und nicht zu vergessen natürlich Jürgen Hingsen. Seit 39 Jahren führte dieser die ewige deutsche Bestenliste an, seine 1984 aufgestellten 8.832 Zähler, sie blieben stets unerreicht. Bis zum 8. Juni 2023. Dem Tag, als in den USA die Sternstunde des Leo Neugebauer aufging: Mit 8.836 Zählern drang der College-Student in neue Sphären vor, schaffte das, was in der Vergangenheit etwa einem Frank Busemann oder Niklas Kaul nicht gelang. Mit erst 22 Jahren, am Anfang seiner Karriere stehend, kürte er sich zum zwölften deutschen Zehnkampf-Rekordler. Überhaupt haben in der Geschichte des Zehnkampfs bisher global erst acht Athleten mehr Punkte erreicht.
Vom vielversprechenden Nachwuchstalent ist Neugebauer binnen kürzester Zeit nun zu einem ernsthaften DLV-Medaillenkandidaten für die WM in Budapest sowie Olympia 2024 in Paris geworden. War es die letzten Jahre Kaul, der mehr oder weniger als alleiniges Aushängeschild des deutschen Zehnkampfs agierte, besitzt der Europameister mit Neugebauer nun einen ernsthaften Konkurrenten an seiner Seite. Und das ist ein echter Glücksfall. Denn die deutschen Leistungen wird das in Zukunft keinesfalls schmälern, vielmehr müssen beide abliefern: Kaul muss seine Position als deutsche Nummer eins neu behaupten, Neugebauer wiederum muss beweisen, dass der Wettkampf in Texas kein einmaliger Ausreißer war. Freuen wir uns also schon jetzt auf die WM!

Alexander Dierke

 

Niklas KAUL (Deutschland) enttaeuscht Leichtathletik, Zehnkampf Hochsprung, am 04.08.2021 Olympische Sommerspiele 2020,

Weitsicht gefragt

Köln, 6. Juni

Liebe Leserinnen und Leser,
langsam beginnen diese Wochen in der Leichtathletik, in denen es bei zahlreichen nationalen und internationalen Meetings ernst wird für die Athleten – noch bis Ende Juli haben die Sportler in den meisten Disziplinen Zeit, die WM-Normen zu knacken. Darüber hinaus besteht schon jetzt die Möglichkeit der Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024 in Paris. Für Niklas Kaul ist letzteres in dieser Saison bereits ein festes Ziel, wie er uns vor seinem Zehnkampf-Auftakt in Ratingen erzählt hat. Doch die Qualifikationen für internationale Top-Veranstaltungen sind das eine. Das andere sind letztlich die Leistungen der DLV-Athleten bei eben solchen Meisterschaften. Ein Niklas Kaul ist da aus deutscher Sicht in puncto Konkurrenzfähigkeit gegen die Weltelite eher die Ausnahme.
Etwas, das sich in den vergangenen Jahren durch die deutsche Leichtathletik zog, sind Nachwuchssorgen. Besonders in den Leistungssport stoßen immer weniger Talente von Weltklasse-Format. Ob das etwa an unzureichender Nachwuchsarbeit oder mangelnden Fördermaßnahmen liegt, ist eine der Fragen, die es zu beantworten gilt. Auf die Agenda geschrieben hat sich das Dr. Jörg Bügner. Seit Anfang März ist der Leichtathletik-„Neuling“ als Sportdirektor des DLV aktiv – und überzeugt im Interview mit Leichtathletik gleich mit fachlich guten Ansätzen. Das Ziel einer Rückkehr unter die Top Fünf der Nationenwertung bis 2028 findet Bügner dabei äußerst ambitioniert. Eine Einschätzung, die von Ehrlichkeit zeugt. Der Weg zurück in die Erfolgsspur kann nicht von heute auf morgen geschehen. Gut, dass dies auch der DLV-Sportdirektor weiß.

Alexander Dierke